
Resilienz und Selbstwert deines Kindes stärkenWie wir unsere Kinder unterstützen können, Vertrauen in sich selbst zu haben und schwierige oder herausfordernde Situationen gut zu meistern
tagebuch für eltner
Die Sache mit dem Selbstwertgefühl. Kennt ihr sie? Vielleicht von euch selbst? Diese innere Stimme, die einen immer wieder zweifeln lässt. An dem was wir sind, was wir können, was wir uns zutrauen, was wir uns zuschreiben? So nervig! Und meist auch so unbegründet. Denn häufig sind wir viel zu streng mit uns selbst. Viel zu skeptisch unseren eigenen Fähigkeiten und Stärken gegenüber und stehen uns damit oft selbst im Weg. Oder noch schlimmer, machen uns unglücklich. Das macht umso deutlicher wie wichtig es ist, beim eigenen Nachwuchs von Beginn an, das Bewusstsein für die eigenen Stärken und positiven Eigenschaften zu schärfen und so das eigene und heranwachsende Selbstwertgefühl in eine reale Wahrnehmung zu versetzen, auf die vertraut werden kann. Denn klar wollen wir allem voran, dass unsere Kinder glücklich sind.
Basis dafür kann eine stärkenbasierte Erziehung sein. Wie das gehen kann und wofür das genau gut ist haben wir uns von einem Profi erklären lassen. Dr. Jutta Merschen ist Gründerin von FamilyPunk, Systemische Elterncoach (ifw), Anwenderin der Positiven Psychologie (DGPP, i.A.) und Mama von 3 wilden Jungs. Nebenbei hat sie gerade das Tagebuch für Eltern entwickelt. Ein geführtes Tagebuch, das durch tägliche Fragen und regelmäßige Reflexion dabei hilft, auf das zu schauen, was im Familienleben gelingt und an dem zu arbeiten, was vielleicht noch nicht klappt.
Resilienz und Stärken
“Mama, ich habe eine Stärke”, sagt mir mein 6-jähriger Sohn abends kurz vor dem Einschlafen. Ich guckte ihn für einen Moment ganz erstaunt an. “Ich kann mir Sachen gut merken, in dem ich sie in Bildern im Kopf speichere.” Mir wurde ganz warm ums Herz und wir haben uns zusammen über seine Erkenntnis gefreut. Mehr noch als über die eigentliche Stärke habe ich mich darüber gefreut, dass mein Sohn an sich selbst eine wahrnimmt und die Worte findet, darüber zu sprechen. Das Bewusstsein über unsere Stärken ist ein wichtiger Schritt, um unsere Resilienz zu stärken.
Resilienz ist spätestens seit Corona in aller Munde. Gemeint ist damit: Wir stehen wieder auf, nachdem wir hingefallen sind. Es ist diese Widerstandsfähigkeit, die es uns erlaubt, Herausforderungen und Widrigkeiten zu trotzen und Krisen zu bewältigen. Und gerade jetzt können wir und unsere Kids davon wohl gar nicht genug in uns tragen.
In der Resilienzforschung werden 7 verschiedene Faktoren unterschieden, die Resilienz fördern: Akzeptanz, Optimismus, Selbstwirksamkeit, Eigenverantwortung, Netzwerk, Lösungsorientierung und Zukunftsorientierung. Und auch, wenn wir alle leicht unterschiedliche Voraussetzungen und Prägungen haben, ist Resilienz sowohl im Kindes- als auch im Erwachsenenalter lernbar.
Ohne Bewusstsein für Stärken keine Resilienz
Was hat jetzt Resilienz mit Stärken zu tun? Eine ganze Menge, denn das Bewusstsein für unsere Stärken und im besten Fall ein Leben im Einklang mit unseren Stärken, zahlen sich ganz besonders auf unseren Optimismus und unsere Selbstwirksamkeit aus. Auch unsere Lösungsorientierung wächst, wenn wir dabei auf unsere Stärken zurückgreifen.
Optimismus heißt: Ich glaube daran, eine positive Zukunft gestalten zu können. Selbstwirksamkeit ist das Vertrauen in sich selbst, schwierige oder herausfordernde Situationen gut meistern zu können – und sie dann auch wirklich gut zu meistern.
Selbstwirksamkeit als Schlüssel zur Resilienz
Um Selbstwirksamkeit zu erleben, eine kleine Übung: Denk mal an die letzte herausfordernde Situation mit deinem Kind zurück, egal ob es um Zähne putzen, Gummistiefel anziehen oder Hausaufgaben ging.
- Wie hast du reagiert?
- Welche Wirkung hatte dein Handeln auf dein Kind, die Situation und eure Beziehung?
- Wie hast du dich währenddessen und danach gefühlt?
- Welche deiner Stärken hast du in der Situation eingesetzt?
- Auf einer Skala von 1 bis 10: wie selbstwirksam hast du dich gefühlt?
Selbstwirksam heißt dabei übrigens nicht unbedingt, dass wir die Situation perfekt gelöst haben müssen. Manchmal ist Selbstwirksamkeit auch einfach, ruhig zu bleiben, die Nerven zu bewahren oder die Situation einen Moment auszuhalten, um später eine gute Lösung zu finden.
Um solche Situationen im Elternalltag regelmäßig zu reflektieren, kannst du zum Beispiel “Das Tagebuch für Eltern” nutzen (jetzt bis 3.6.22 vorbestellen). Das ist ein geführtes Tagebuch für alle Menschen, die mit Kindern zusammenleben. Die täglichen Fragen lenken den Blick auf Situationen, in denen du dich selbstwirksam gefühlt hast.
Genau wie wir können sich auch unsere Kinder mehr oder weniger selbstwirksam empfinden, wenngleich sie ihr Erleben im Kindergarten und frühen Grundschulalter noch nicht immer alleine in Worten beschreiben würden. Wir Eltern können ihnen dabei helfen, diese Situationen viel häufiger zu erleben: mit einer Erziehung, die auf ihre Stärken ausgerichtet ist.


Was ist stärkenbasierte Erziehung?
Stärkenbasierte Erziehung heißt, auf die Stärken in deinem Kind zu gucken und nicht nur auf das, was es noch nicht kann oder was nicht gelingt. Das ist Schritt 1 – Stärken erkennen und benennen.
Schritt 2 der stärkenbasierten Erziehung ist, Stärken zu fördern. Da das Thema “Stärken erkennen” aber für die meisten von uns – mir selbst inklusive – schon eine kleine Herausforderung ist, bleiben wir in diesem Beitrag erstmal bei diesem Schritt. Deshalb zeige ich dir in diesem Artikel, wie du Stärken in deinem Kind erkennen kannst und warum das gut ist.
Vielleicht fragst du dich, ob eine stärkenbasierte Erziehung jetzt nur der neuste Trend nach bindungs- und bedürfnisorientiert ist? Aus meiner Sicht ergänzt eine stärkenorientierte Erziehung die beziehungs- und bedürfnisorientierte Erziehung, um Optimismus und Selbstwirksamkeit und somit Resilienz in unseren Kindern zu fördern. Die Bindung und Beziehung zu unseren Kindern ist immer die Basis – die stärkenorientierte Erziehung eine ergänzende Ausrichtung, die das Wohlbefinden unserer Kinder – und der Erwachsenen, die sie mal werden – fördert.
Wie geht stärkenbasierte Erziehung?
Das Wichtigste an einer stärkenbasierten Erziehung ist, die Stärken von Kindern genauso oder sogar mehr in den Fokus zu nehmen als ihre Schwächen. Ganz konkret geht das mit 5 Schritten:
1. Werde dir bewusst, was Stärken sind
Was ist mit Stärken gemeint? Schnell laufen, gut rechnen, Klavier spielen oder tolle Bilder malen können? Ja… und doch nicht ganz. Sportliche, musische und künstlerische Fähigkeiten sind Kompetenzen, die wir größtenteils im Laufe unseres Lebens erlernen. Einige von uns haben ein Talent für etwas – es fällt uns leichter, etwas zu lernen oder richtig gut zu werden.
Unter Stärken verstehen wir in der stärkenorientierten Erziehung eher positive Persönlichkeitsmerkmale, die relativ stabil sind und die zumindest teilweise angeboren sind. Zum Beispiel Humor, Mut, der Sinne für das Schöne oder Freundlichkeit. Eine ausführlichere Liste findest du hier.
2. Nimm deine eigenen Stärken bewusst wahr
Wie die kleine Übung zur Selbstwirksamkeit oben gezeigt hat: Es ist hilfreich, unsere eigenen Stärken zu kennen. Dann können wir das auch einfacher bei unseren Kindern tun. Ein aktiver Umgang mit eigenen Stärken ist daher wichtig, bevor du mit der stärkenbasierten Erziehung deines Kindes beginnst.
Dazu folgenden Tipp: Unter gluecksforscher.de kannst du kostenlos einen Stärkentest machen. Das ist ein anerkannter Test der Deutschen Gesellschaft für Positive Psychologie und liefert dir nach der Anmeldung ein wissenschaftlich fundiertes Ergebnis.
3. Erkenne die Stärken deines Kindes und besprecht sie gemeinsam
Überlege kurz, wann dein Kind einen seiner besten Momente hatte, es glücklich war, Energie hatte und etwas richtig gut funktionierte.
Beschreibe in ein paar Sätzen die Situation. Was hat dein Kind gemacht, was haben die anderen Personen gemacht und wie haben sie auf dein Kind reagiert? Und als nächstes: welche positiven Eigenschaften hat dein Kind in der Situation gezeigt? War es besonders kommunikativ und engagiert mit anderen? Oder hat es viel Mut gezeigt? War es komplett in etwas versunken, was viel Ausdauer benötigt?
Notiere alle Stärke(n), die du entdeckt hast. Und dann überlege, wie du deinem Kind seine Stärken verständlich machen kannst. Eine super Möglichkeit ist zum Beispiel, eine Stärkenblume zusammen zu erstellen (Anleitung).
4. Mache dir die Stärken deines Kindes täglich bewusst
Sei täglich ein Detektiv der Stärken deines Kindes. Blicke darauf, was funktioniert, was dein Kind gerne und häufig macht, was ihm Energie gibt und was ihm gelingt. Du kannst dafür zum Beispiel “Das Tagebuch für Eltern” nutzen. Das geführte Tagebuch mit täglichen Fragen wie “Was ist meinem Kind gelungen” und auch “Was habe ich heute gut gemacht”, lenkt den Blick auf die Stärken deines Kindes und deine eigenen.
5. Nutze stärkenbasierte Erziehung in Konfliktsituationen
Wenn du dich über ein Verhalten deines Kindes ärgerst, ist es hilfreich, deinen neu gewonnen Stärkenblick einzusetzen. Statt dein Kind zu ermahnen oder zu schimpfen, dass etwas nicht erledigt ist oder es nicht auf dich hört: Schau auf die Stärken, die gerade zum Ausdruck kommen. Das braucht ein wenig Übung, aber es lohnt sich.
Kleines Beispiel: ich habe einen Sohn, der – wie viele Kinder im Vorschulalter – sehr gerne experimentiert. Mit allen möglichen Utensilien, gerne auch in Bad, Küche oder Kinderzimmer. Gerne mit Kaffeesatz, Kieseln, Blättern oder Sand und oft wird seine Umgebung davon nicht verschont. Statt ihn nur ans sauber machen zu erinneren, freue ich mich über seine Stärke Neugier und seine Experimentierfreude. Und erinnere ihn danach daran, dass auch Forschende ihre Experimente immer nach wieder wegräumen müssen, um Platz für Neues zu machen.
Stärken verwöhnen unsere Kinder nicht
Vielleicht hast du Sorge, dass du dein Kind mit einem stärkenbasierten Blick zu sehr verwöhnst oder dass es narzisstische Züge annimmt? Übertriebenes Lob kann Studien zufolge in Erwachsenen zu Selbstüberschätzung und Selbstverliebtheit folgen.
Aber das hat nichts mit stärkenbasierter Erziehung zu tun. Hier geht es darum, das innerste gute Wesen deines Kindes zu erkennen, zu benennen und deinem Kind bewusst zu machen. Das Tagebuch für Eltern hilft dir täglich dabei. Mit einem realistischen Blick auf die eigenen Stärken kommt übrigens meist auch der realistische Blick auf die eigenen Schwächen.