
Das Gute im vermeintlich Schlechten findenAnnika hat bei uns bereits über ihre Brustkrebserkrankung gesprochen. Nun beschreibt sie was danach kam, wie es ihr dabei geht und was sie aus den vergangenen zwei Jahren mitnimmt.
Im Schlechten das Guten finden ist eine Gabe. Oder ist es Glück? Vererbung? Mindset? Oder passiert es eben einfach?
Annika bekam im Sommer 2020 die Diagnose Brustkrebs. Seitdem ist viel geschehen. Sie wurde mehrfach operiert, machte Chemotherapien und nach deren Beendigung ein halbjähriges Sabbatical und reiste mit ihrem Mann und ihren drei schulpflichtigen Söhnen um die Welt, im Februar fing sie bereits wieder an zu arbeiten. Sie hat die Geschichte von Diagnose und Therapie sehr ausführlich und berührend bei uns hier bereits erzählt. Nun berichtet sie uns wie es danach weiterging und vor allem was sie fühlt und welche Gedanken in ihrem Kopf rum schwirren. Denn Annika ist jetzt nicht nur Tumorfrei und aus der Akutbehandlung raus, sondern hat seitdem auch sehr viel gelernt, genossen und vor allem Dankbarkeit und Glück empfunden. Diese Geschichte muss unbedingt gelesen werden!
Mein Leben nach der Brustkrebserkrankung
Hey, ich bin Annika von @annikaoninsta, lebensfrohe und dankbare Mama von drei Jungs und immer reisehungrig…einige erinnern sich vielleicht an meinen Artikel, der vor ungefähr einem Jahr hier veröffentlicht wurde und für den ich von so vielen von euch so tollen Zuspruch bekommen habe. Ich kam gerade aus meiner Akuttherapie gegen meine Brustkrebserkrankung und stand am Beginn meiner jahrelangen Antihormontherapie – und vor unserem lang angesparten Sabbatical.
Ich hol euch mal ab, wo ich letztes Jahr stand, das war der Abschluss meines Artikels vor einem Jahr:
“Jetzt will ich wieder ans eigenständige Gehen oder noch besser ans Laufen kommen, den Weg selbst bestimmen, mich auf meine Gesundheit, auf meine Männer konzentrieren. Schauen, wo ich etwas von meinem Glück abgeben und Gutes tun kann. Wieder mit meinen Freundinnen unbeschwert lachen, essen, trinken, tanzen. Meine beruflichen Ziele und Projekte verfolgen. Mein Haarwachstum beobachten. Unser Sabbatical planen. Das hoffentlich so stattfindet. Meine, unsere persönliche Reha. Wenn alles klappt, kann es passender nicht kommen. Ich träume derzeit von den Malediven, Sri Lanka, den Seychellen, Südafrika, Segeln auf einem Katamaran.. Wäre toll, wenn ein Teil davon klappt. Wir hatten eigentlich andere Ziele auf unserer Liste, aber Corona...na ja...ihr wisst schon. Ich bin froh über alles was möglich ist. Und auf einmal ist da auch wieder Luft für Tränen. Für Tränen der Traurigkeit, der Angst, der Orientierungslosigkeit, der Wehmut, der Stärke, der Erleichterung, der Dankbarkeit… und der Freude. Und das alles mache ich: in meinem Kleid!”
Und nun ist es tatsächlich um – ein Jahr seit Behandlungsende und somit auch – ja – unser Sabbatical, unsere Weltreise mit unseren drei Kindern, die tatsächlich stattgefunden hat. Und nicht nur das.


Was ist aus meinen Zielen geworden?
“...den Weg selbst bestimmen, mich auf meine Gesundheit, auf meine Männer konzentrieren.”
Es war nicht leicht, wieder einen Alltag zu finden, der nicht von Terminen und Menschen meine Behandlung betreffend strukturiert wird…aber umso schöner ist es, dass es nun wieder so ist. Ich habe zwar noch viele Nach- und Vorsorgen sowie Termine um mich darum zu kümmern, dass es mir gut geht, aber habe wieder in einen guten Alltag gefunden. Seit Februar – direkt im Anschluss an unsere Reise – habe ich mit Hilfe einer Wiedereingliederung wieder angefangen zu arbeiten. Das tut so gut! Ebenso die wieder möglichen alltäglichen Kontakte zu Freund:innen und die Zeit, die ich mit meinen Männern verbringen kann. Es ist Luft für gute Gespräche und Unterstützung. Mein Mann ist immer mal wieder im Homeoffice – das haben Corona und meine Erkrankung eingefordert und etabliert – was Nähe schafft. Die ist intensiver als zuvor, als wir total im Hamsterrad gefangen waren! Die Jungs sind nicht mehr im Homeschooling – halleluja – aber ich kann sie nachmittags gut und in Ruhe unterstützen, was sich gut anfühlt. Ich liebe es, den Tag mit einer Runde Joggen durch den Wald zu starten – wenn das Wetter zu ertragen ist.
Vor ein paar Wochen bin ich erneut geplant operiert worden und hätte ich mir im Krankenhaus nicht einen fiesen Magen-Darm-Virus eingefangen, der mich wieder zurück ins Krankenhaus katapultiert hat, wäre ich immer noch sehr überrascht, wie gut ich insgesamt diese OP im Vergleich zu den Vorgängern weggesteckt habe.
Eine Nachsorge Anfang März, zu der ich naiv unbekümmert gegangen bin, hat mit dem Ergebnis nochmal für eine Woche alles auf den Kopf gestellt, da es einen unguten Verdacht gab, der sich zum Glück nicht bestätigt hat. Mit solchen Phasen muss ich wohl für den Rest meines Lebens rechnen und umgehen können. Ich habe mir dazu professionelle Hilfe geholt und das fühlt sich sehr gesund an.


“Schauen, wo ich etwas von meinem Glück abgeben und Gutes tun kann.”
Ich habe inzwischen viele betroffene Frauen an meiner Erfahrung teilhaben lassen, ihnen Tipps gegeben, was mir gut geholfen hat etc. Ich engagiere mich für die Früherkennung (reminder: mach einen Termin!), die Registrierung bei der DKMS, habe spontan eine Spendenaktion durch Waffeln Backen aus der Erde gestampft und viele sehr viel erfolgreichere Nachahmerinnen gefunden, sage meinen Freundinnen immer wieder, wie toll ich sie finde und wie wichtig sie für mich sind, male Geburtstagsgrüße mit Kreide vor Haustüren von Geburtstagskindern, habe eine Patenschaft für einen querschnittsgelähmten Hund in Sri Lanka übernommen und andere animiert es ebenso zu tun, den Nachbarn, Freunden und hilfsbereiten Ärzten in einem Frühstück im Alltagswahn rüber gereicht, eine Freundin mit Familie nach einer OP mehrfach bekocht, das Hörgerät der Tochter einer Person gesponsert, die mir eine tolle Hilfe ist, engagiere mich für Bildung, für Interplast, berate und helfe beruflich mehr als ich es früher getan hätte, habe letztens im Krankenhaus sowohl die Station als auch das Ärzteteam mit einem fetten Dankeschön überrascht, schreibe meinen Jungs Liebesbriefe, tüdel kreative Geschenke zusammen…größere und kleinere Dinge eben. Und ja – das ist mehr Egoismus als Altruismus, denn es tut mir wirklich gut!


“Wieder mit meinen Freundinnen unbeschwert lachen, essen, trinken, tanzen.”
Hell yes! Ich kann die ganzen Glücksmomente mit ihnen gar nicht mehr aufzählen, ich fühle sie so stark: oft Kaffee trinken morgens vor dem Haus in der Sonne, den Abend vor der letzten OP im Whirlpool Kuchen essen und Schampus trinken (im Nachhinein bezogen auf die OP nicht die beste Idee, aber der Glücksmoment war es wert…), tanzen im Wohnzimmer, ein schönes Wochenende in Köln und Holland, Sommerabende auf der Terrasse, paddeln auf dem See, ein richtig toller Theaterabend, gemeinsamer Sport und gemeinsame Wanderungen, Winterabende mit Tee, Käsefondue, ein Saunatag, uns ganz fest drücken, über Belangloses und die ganz wichtigen Dinge quatschen…das ist alles wie tanken. Super +


“Meine beruflichen Ziele und Projekte verfolgen.”
Na ja, ich komme gerade irgendwie noch an – immerhin war ich anderthalb Jahre raus. Zum Glück wurde mir von einer tollen Freundin und meiner Chefin komplett der Rücken frei gehalten, so dass ich da weitermachen kann wo ich plötzlich aufhören musste. Ich glaube, ich bleibe noch ein wenig in meiner Komfortzone und verschiebe das mit den Bestrebungen zur Promotion – so ganz traue ich mir und meinen Ressourcen noch nicht über den Weg. Dafür engagiere ich mich im Team ehrenamtlich für @guteschulgeschichten. Das kann ich so dosieren, wie ich es gerade schaffe und das ohne Zwang. Macht richtig Spaß! Genauso wie in meinem Beruf jungen Menschen sagen, wie toll sie sind!


“Mein Haarwachstum beobachten.”
Ich hatte wirklich bescheidene Nebenwirkungen während der Chemo, aber am “schmerzhaftesten“ war der Haarverlust. Nun habe ich eine wirklich wilde Frise…Locken, die nicht zähmbar sind. So unglücklich ich erst war – ich habe meinen Frieden damit gemacht. Auf der Weltreise einfach nur praktisch. Ich werde fast täglich von bekannten und unbekannten Menschen auf die Locken angesprochen. Das ist Balsam für mein Selbstwertgefühl, denn das ist und war schon arg ramponiert.


“Unser Sabbatical planen. Das hoffentlich so stattfindet. Meine, unsere persönliche Reha. Wenn alles klappt, kann es passender nicht kommen. Ich träume derzeit von den Malediven, Sri Lanka, den Seychellen, Südafrika, Segeln auf einem Katamaran.. Wäre toll, wenn ein Teil davon klappt. Wir hatten eigentlich andere Ziele auf unserer Liste, aber Corona...na ja...ihr wisst schon. Ich bin froh über alles was möglich ist.”
Ja, es hat geklappt. Ich kann unser Glück immer noch nicht fassen, dass wir los konnten. Ein halbes Jahr mit drei schulpflichtigen Kindern um die Welt reisen, mit Brustkrebs und einer Pandemie im Gepäck. Wahnsinn. Nicht immer war das halbe Jahr mit diesem Gepäck einfach, es war nicht alles toll und daher nicht die perfekte Reha. ABER: Es ist ein unfassbar gutes Gefühl, dass wir nicht mehr davon träumen, sondern es gemacht haben. Dazu tiefste Dankbarkeit, dass es unter den Vorzeichen möglich war. Und ja – wir sind richtig stolz auf uns, denn es war viel Arbeit und Kraft erforderlich! Und hey – Malediven, Sri Lanka und Katamaran sind wahr geworden, außerdem waren wir noch in Dubai, Kalifornien, Arizona, Nevada, Costa Rica, der Karibik sowie im Allgäu und der Schweiz – alles immer spontan. Ein Riesenlearning für mich ganz außerhalb meiner Komfortzone als durchgeplanter und organisierter Mensch.
Wir werden diese sechs Monate für immer fest in unserer Erinnerung und unserem Herzen tragen. Allein darüber könnte ich einen oder viele Artikel oder sogar ein Buch schreiben.


“Und auf einmal ist da auch wieder Luft für Tränen. Für Tränen der Traurigkeit, der Angst, der Orientierungslosigkeit, der Wehmut, der Stärke, der Erleichterung, der Dankbarkeit… und der Freude. Und das alles mache ich: in meinem Kleid!”
Ja, tatsächlich sind die manchmal geflossen oder es war zumindest ein dicker Klumpen im Hals: Als wir frühmorgens in Sri Lanka zum Sonnenaufgang einen Felsen erklommen und dort gefrühstückt haben, als wir auf dem Katamaran einen unheimlich inspirierenden Film mit Beamer auf dem Segel geschaut haben (Info: blown away), als ich mir nochmal in einer ruhigen Minute klar gemacht habe, was ich alles auf die Nase bekommen habe, als ich in Sri Lanka die beste Yogastunde meines Lebens hatte, weil der unfassbare Yogalehrer irgendwie gecheckt hat was los war und seine Praxis darauf für mich angepasst hat, als ich eine Woche Ungewissheit nach einem unguten Verdacht aushalten musste, als ich auf der Weltreise irgendwann einfach nur noch völlig k.o. war und schlimmes Freundinnenweh hatte, als ich angetütert mit unseren Kindern und Freunden durchs Wohnzimmer getanzt bin, als ich in der Karibik mit einer tollen Frau um gestorbene Katzen und tödliche Krankheiten geweint habe, als die Sekretärin im Krankenhaus vom Hirntumor ihrer Tochter erzählt hat und ich einfach nur froh war, dass ich Krebs hatte und keins meiner Kinder – und als ich mit meinem Kleid auf den Malediven in den Sonnenuntergang geschaut habe…


Ich habe es auch schon vor einem Jahr geschrieben: Es ist so viel Schönes im Hässlichen passiert.
Ich komme oft zu dem Schluss, dass mir die letzten zwei Jahre mehr Gutes als Schlechtes gebracht haben, obwohl ich die Folgeerscheinunger der Chemo sowie die Nebenwirkungen der Antihormontherapie oft verfluchen könnte. Das merke ich jetzt gerade nochmal verstärkt durch das Schreiben: Wow! Wie viele Ziele ich unerkannt erreicht habe!
Es steckt zwar Mühe und Aufwand dahinter, aber dadurch kann ich mit voller Überzeugung sagen: ES GEHT MIR GUT!
Ich bin weiterhin voller Demut und Dankbarkeit – auch den tollen Menschen gegenüber, die mich durch diese Zeit getragen haben. Und deshalb gibt es im September zum zweijährigen Diagnosejubiläum eine fette DANKEPARTY für all die, ohne die ich es nicht geschafft hätte!
Und auch wenn es pathetisch klingen mag: Sollte ich es am Ende doch nicht schaffen, ist das ok für mich. Ich bin erfüllt durch das, was ich erleben durfte.


…und du…du machst jetzt bitte deinen Termin zur Früherkennung, ok?
Und meldest dich bei mir, falls du Fragen hast über meinen Instagramaccount @annikoninsta oder über annikaoninsta@gmail.com – immer gerne!
Eure Annika