
Meine Bauchgeburt und wieso es nicht „der einfache Weg“ warEvelyn erzählt von ihren Erfahrungen nach drei Kaiserschnitten – körperlich und seelisch
Nicht der „einfache“ Weg
Viel zu viele Frauen verlassen nach einem ungeplanten Kaiserschnitt das Krankenhaus mit dem Gefühl versagt zu haben. Nicht richtig „performt“ zu haben. Ja, versagt zu haben. Ich war eine davon. 2016, bei der Geburt meiner Tochter ist mir dieser Kaiserschnitt wie ein Unfall zugestoßen. Ein Unfall, bei dem meine ganze Selbstbestimmtheit Fahrerflucht begangen hat. Ich hatte mit eine Wassergeburt gewünscht, mit gedimmtem Licht und sanftem Tönen. Aber es sollte nicht so ein. Stunden später wachte ich nach einer Vollnarkose in einem kahlen Zimmer auf. Mein Bauch war leer und niemand war da. Niemand außer diese undefinierbaren Schuldgefühle. Irgendwann hat mein Mann das Baby zu mir gebracht. Ich hatte mir das mit der ersten Begegnung so anders vorgestellt. Lauter, glitschiger. Aber da lag sie, angezogen, rund und schlafend.

Oft heißt es „Kaiserschnitt oder natürliche Geburt?“ Aber gibt es da überhaupt einen Unterschied?
„Wieso ist es mir nicht gelungen?“ Habe ich mich gefragt. „Wieso war es so schwierig?“
Ich fühlte mich damals schuldig, schämte mich. Ich hätte nicht so schnell zustimmen sollen, noch ein paar Stunden durchhalten, der kleinen Maus gut zureden, damit sie tiefer sinkt. Ein wenig kämpfen, um eine natürliche Geburt zu haben. Ich bekam Mitleid und mir wurde oft die Erfahrung einer „richtigen“ Geburt abgesprochen. Einer „natürlichen Geburt“. Dabei kann an einer Geburt – egal ob vaginal oder per Sectio – per se nichts „unnatürlich“ sein, right? Right. Es gibt nicht eine „falsche“ und eine „richtige“ Geburt. Egal wie sehr wir uns über vermeintliche „Entscheidungen“ den Kopf zerbrechen: Im Nachhinein müssen wir damit leben. Mit den „Was-wäre-wenns“ und mit den Narben.
Jahre später – es war kurz vor meiner zweiten und nicht letzten Sectio – bin ich auf einen Begriff gestoßen, der mich ein Stück weit mit der ersten Geburtserfahrung versöhnt hat: Die Bauchgeburt. Meine Bauchgeburt. Die erste Geburt war ganz und gar nicht das, was ich mir vorgestellt hatte, aber sie war meine Geburt. Gut, so wie sie war. Auch ohne Presswehen.

Jede Geburt ist harte Arbeit
Ich hatte meine Tochter 40 Wochen unter meinem Herzen getragen. Auf der Zielgeraden bekamen wir Unterstützung. Eine Unterstützung, für die ich mich nicht schämen muss. Und auch nicht schämen will. Weil im Grunde eine Geburt immer mit Anstrengung, Schweiß, Blut, Tränen und Arbeit verbunden ist. Wettbewerbsgedanken sowie Schamgefühl haben im Kreißsaal nichts verloren.
Am Ende des Tages zählt nicht unsere vermeintlich „Leistung“, ob die Geburt vaginal oder per Kaiserschnitt, in der Wanne oder in den eignen vier Wänden war, sondern unser Baby, unser Mut und unsere Gesundheit. Physisch als auch psychisch.
7 Gründe, wieso ein Kaiserschnitt nicht „der einfache Weg“ ist
Eigentlich ist es selbsterklärend, dass Kaiserschnitte nicht die „leichtere Geburt“ sind, denn die Geburt sollte kein Wettbewerb sein. Manche Leute sind jedoch tatsächlich dieser absurden Meinung und haben keine Scham diese kundzutun. Oft wird uns Kaiserschnitt-Mamas dann vermittelt, dass unsere Babys „high need“ sind, dass wir bestimmt Bindungsprobleme hätten und weiß der Teufel noch was. Und all das nur, weil irgendwer irgendwann beschlossen hat, dass es einen einzigen „richtigen“ und einen „falschen“ Weg gibt. Hell no, nicht mit uns – und deshalb sind hier sieben Gründe aufgelistet, warum ein Kaiserschnitt nicht der „einfache Weg“ ist!
1. Es gibt keinen „einfachen Weg“
Eine Geburt ist hart und anstrengend und blutig – egal wie sie vonstatten geht. Jede ist anders und zu sagen eine sei „besser“ oder „härter“ oder „einfacher“ als die andere, ist schlicht und einfach unfair.
2. Kaiserschnitt-Mamis leiden unter denselben postpartalen Problemen
Guess what – auch wir Kaiserschnitt-Mamis haben neun Monate ein Lebewesen herangebrütet und leiden nach der Geburt an Blutungen, Haarausfall, Baby Blues, Schweißattacken und, und, und! Nur weil unsere Kinder anders geholt wurden bedeutet dies nicht, dass uns das ganze Trara danach erspart bleibt…
3. Kaiserschnitte werden meist zur Sicherheit von Mutter und Kind durchgeführt
Eine Sectio ist keine Beauty-OP und wird meist dann durchgeführt, wenn die Ärzte es als notwendig erachten. Oft sind Kaiserschnitte die letzte Hoffnung für Baby und Mama – sie als „easy way out“ abzuspeisen, zeugt einfach von Unwissen.
4. Die Tage danach sind der Horror
Eine krasse Wunde, ein neues Baby, Schlaflosigkeit und Schmerzen. Die Tage nach einer Sectio sind hart. Kein Wunder also, dass manche Mütter erst nach fünf Tagen aus der Klinik entlassen werden.
5. Die Geburt sagt nichts über mich als Mutter aus
Ja, ich hatte einen Kaiserschnitt, aber ich bin dadurch keineswegs weniger als Mama qualifiziert als Frauen, die eine natürliche Geburt hatten. Die Art und Weise, wie meine Kinder zur Welt gekommen sind, sagt nichts über mich oder sie aus.
6. Kaiserschnittbabys haben dieselbe Bindung zu ihren Müttern wie jene, die vaginal entbunden wurden
Es ist eine jener Unwahrheiten, die man überall hört: Kaiserschnitt-Babys müssen mehr bonden weil bla, bla, bla… Wer hat sich das ausgedacht? Bestimmt jemand, der gerne Frauen in ihren verletzendsten Stunden verunsichert. Dies ist eines jener Ammenmärchen, welches sich hartnäckig hält und Frauen an sich zweifeln lässt (als hätten Mamas nicht sowieso genug Selbstzweifel).
7. Es ist beleidigend, wenn man sich als Mutter für die Geburt des eigenen Kindes rechtfertigen muss
Beleidigend, unwürdig und eigentlich dumm. Denn wir können nicht planen was bei einer Geburt passiert (nein, auch nicht bei einem geplanten Kaiserschnitt). Und meistens sind diejenigen, die am lautesten gegen eine Sectio schreien jene, die am wenigsten Ahnung haben. Ist so.


Über all die „Nachwehen“
Das Baby ist da, du hast dieses Wunder zwar zur Welt gebracht und fühlst dich aber überhaupt nicht wundervoll? Du fragst dich, warum die Geburt so anders lief als geplant? Wieso sich das Wochenbett nicht sanft und weich, sondern eher unbequem anfühlt? Und warum dein Glück gerade von so vielen Zweifeln umzingelt ist? Nach einer Geburt sind alle Gefühle erlaubt. Frust, Dankbarkeit, Angst, Überforderung Glück und ja, es ist auch okay nichts zu fühlen. Darum geht es in unserem Buch „Nachwehen – Trost und Hilfe bei überwältigenden Gefühlen rund um die Geburt“.
Denn weißt du was? So wie dir geht es Millionen Frauen. In den Monaten rund um die Geburt kommen Gefühle auf, auf die wir uns einfach nicht vorbereiten können, die sich fremd und falsch anfühlen. Aber auch wenn kaum jemand offen darüber spricht: Dieses Buch tut es. Es hilft dir, zu verstehen, was passiert ist, und gibt deinen Emotionen einen Raum. Es fühlt sich an wie eine Umarmung. Oder wie ein großes Glas Wein.