
Bundestagswahl (2): Was bedeuten die Wahlprogramme für unsere Kinder?Wir haben genau hingeschaut, was die Parteien im Bereich Kinder & Familien in ihren Programmen zu bieten haben
Am 26. September ist es soweit: Wir müssen bei der Bundestagswahl unser Kreuz setzen, unsere Stimme für einen Kandidaten nutzen, unser Vertrauen auf die Schreibtische einer Partei legen. Das ist gar nicht so einfach. Und lasst es euch sagen: Es wird auch nicht einfacher, wenn ihr die hunderten Seiten der Wahlprogramme wälzt. Natürlich empfehlen wir euch nicht nur, euch mit den politischen Inhalten zu beschäftigen, sondern bitten euch sogar explizit darum: Bitte! Geht wählen, bitte informiert euch und bitte bildet euch EURE eigene Meinung.
Die hunderten Seiten Wahlprogramme haben wir für uns alle gewälzt. In den nächsten Wochen möchten wir euch mit unserer Kurzserie unseren Eindruck der Programme zeigen. Wir fragen aus der Perspektive, von der aus wir stehen. So wollen wir zum Beispiel wissen: Was bedeuten die Wahlprogramme für unsere Kinder, für uns Frauen, für unsere Familien? Wie positionieren sich die Parteien zu Digitalisierung, Modernisierung und gegen den Klimawandel? Was wird denn nun aus all den Verboten rund um Mobilität, Energiegewinnung und Wirtschaft? Was würde unser Kreuz uns an Steuererhöhungen und Entlastungen einbringen?
Ein Artikel würde den Rahmen der Antworten wohl sprengen. Aber wir beantworten sie alle. Nach einem Überblick auf den Papierberg widmen wir uns heute mal besonders wichtigen Menschen im Leben: Unseren Kindern. Was ist für sie drin in den Wahlprogrammen?
Liebe Parteien, was wollt ihr denn für unsere Kinder tun?
In den 16 Jahren, die die Union regiert hat, ist so manche Kindheit ins Land gezogen. Doch da sind noch Kinder – ein Glück jede Menge sogar. Und die haben in den vergangenen Monaten mal so richtig gelitten. Keine Schule, keine Kita, keine Freunde treffen, Oma und Opa sowieso nicht, Spielplätze waren auch lange tabu. Steigende Inzidenzen und erste Äußerungen machen nicht nur uns als Eltern Sorge, sondern auch unseren Kindern. Da wirkt der Blick in die Wahlprogramme fast schon wie ein Blick in die Glaskugel. Denn darin steht es schwarz auf weiß: Das wollen die Parteien für unsere Kinder machen. Wir stellen euch die Punkte vor:
Die Union: Gegen Kindesmissbrauch im Netz und seitenweise gute Vorsätze
Es ist sinnbildlich für die Pandemiepolitik der vergangenen Monate und sorgt für Frust. Das Thema digitale Bildung muss man “dringend anpacken und unsere Schulen modernisieren”. Wirklich? Applaus für diese Erkenntnis. Viel mehr folgt ihr jedoch nicht. Kein Zeitziel, kein Investitionsziel, nichts. Achso doch. Es soll Weiterbildungsmöglichkeiten für Lehrer geben, damit Unterricht digitaler stattfinden kann.
Ganz unbewusst kann CDU und CSU nicht sein, was diese Haltung verursacht hat, deswegen werden die Schwesterparteien wenigstens etwas konkreter, wenn es um die bereits vorhandenen Schäden ihrer Politik geht. Je eine Milliarde in den Jahren 2021 und 2022 soll in ein Unterstützungsprogramm fließen, um die Bildungsdefizite der Pandemie aufzuholen. Liest man weiter, geht es dann aber vorwiegend um die Lese- und Sprachkompetenzen. Eine weitere Milliarde soll in ein Unterstützungsprogramm fließen, dass zum Beispiel mit Hilfe von Ferienfreizeiten und Familienerholung helfen soll, die sozialen und psychischen Folgen der Corona-Pandemie zu bewältigen.
Damit es so nicht weitergeht, soll das Recht auf flexiblere Arbeitszeiten und die Nutzung von Homeoffice rechtlich fixiert werden, womit das Thema im Herbst wohl wieder auf den Schultern der Eltern lastet – und den Kindern, denn eigenverantwortliches Lernen ist die Zukunft. Flexibilität in Sachen Kinderbetreuung findet sich im Wahlprogramm nur bedingt und dort, wo es konkret wird, geht es explizit um die Stärkung von Frauen in wissenschaftlichen Berufen. Für sie soll es möglich sein auch zu arbeitnehmerfreundlichen Zeiten eine Möglichkeit zur Kinderbetreuung in Anspruch nehmen zu können. Für alle gilt: Die Kinder sollen eine bessere Frühförderung erhalten. Na wenigstens etwas…
Wie das funktionieren soll? Am besten über eine flächendeckende Sprachstandserhebung und die Einführung einer verbindlichen Sprachförderung, falls die Standards nicht erfüllt werden. Flächendeckend ist auch ein herrliches Wort. Und verbindlich erst. Deswegen nutzen wir es genauso einfach nochmal, wenn es um das psychotherapeutische Behandlungsangebot geht, nach dem Eltern seit Jahren, ach Jahrzehnten schreien. “Wir setzen uns verstärkt für den flächendeckenden Ausbau des psychotherapeutischen Behandlungsangebots für Kinder und Jugendliche ein.” Naja Einsatz ist schonmal besser als nichts. Gewährleisten kann man jedoch Ernährungsbildung, Sport und Zugang zu gutem Kita- und Schulessen. Und als wäre das allein nichts, legt die Union noch einmal kräftig obendrauf. Alle Vorsorgeuntersuchungen bis zum Jugendalter sollen verbindlich (was auch sonst?!) in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden. Gesundheit ist wichtig, das ein wesentlicher Schritt. Keine Frage. Aber da geht doch noch mehr, liebe Union. Da muss mehr gehen. Das kann nicht euer Ernst sein.
Immerhin gelten Kinder im öffentlichen Dienst dann wie eine Medaille und Mama oder Papa werden bevorzugt eingestellt. Denn “wer Kinder hat, soll stärker davon profitieren” – Vorteile bei der KfW-Förderung, die in Aussicht Stellung von Kindersplitting bei der Steuer nach der Verdopplung des Entlastungsbeitrages für Alleinerziehende auf 4008 Euro soll der perspektivisch (also irgendwann) auf 5.000 Euro) angehoben werden. Und da haben wir noch gar nicht über die Erhöhung der Partnermonate auf 16 beim Elterngeld gesprochen. Und es gibt Erleuchtung in Sachen Bürokratiewüste. Alles, Geburtsurkunde, Kindergeld, Elterngeld und Kinderzuschlag sowie Bildungs- und Teilhabepaket sollen künftig vereinfacht und digital beantragt werden können. Wo es geht soll dies sogar automatisch passieren. Und die Kinder selbst? Nichts.
Oh doch. Die Union hat ein Herz für die Kinder, die schmerzlich unter dem Rosenkrieg ihrer Eltern leiden und möchte die familienrechtlichen Vorschriften im Unterhalts-, Sorge- und Umgangsrecht anpassen und besser zum Wohle des Kindes gestalten. Wow!
Ganz konkret und ernst wird es hingegen bei einem echten Angstthema vieler Eltern: Kindesmissbrauch. Diesen härter zu bestrafen ist zum einen Vorhaben in dem Bereich Justiz, denn die Union möchte Druck auf die EU aufbauen und auf so auf europäischer Ebene eine Regelung zur Speicherung und zum Abruf von Telefonnummern und IP-Adressen erwirken. Klingt sehr theoretisch und stelzig, dient aber dem Zweck aktiver gegen Kindesmissbrauch und die Verbreitung von Kinderpornografie vorgehen zu können und letztlich die härtere Bestrafung der Täter durchzusetzen. Und dabei bleibt es nicht.
Nach der Einführung der Mindeststrafe sollen Täter nun in einem nächsten Schritt zudem einen lebenslangen Eintrag im erweiterter Führungszeugnis erhalten, der verhindert, dass sie jemals wieder – egal ob beruflich oder ehrenamtlich – mit Kindern arbeiten können. Außerdem möchte die Union den Einsatz der elektronischen Fußfessel bei Sexualstraftätern erweitern und erleichtern. Fast eine ganze Seite ihres Programms widmet die CDU außerdem der Idee eines Präventionsansatzes. Die Einführung kinderfreundlicher Beschwerdeverfahren, Früherkennungsuntersuchungen und Schutzkonzepte sind nur drei Punkte dieser Liste.
Dieses Vorhaben ist gut, richtig und auch ein bisschen überfällig. Es wäre schön, wenn dieses Gefühl, dass sich dabei jemand so richtig Gedanken gemacht hat, auch in anderen Bereichen aufkeimen würde.
Die Grünen: Kinder in die Mitte der Politik. Inhaltlich und mit Stimmrecht
Man merkt, dass hier Menschen mitarbeiten, die selbst Kinder haben. So wird wohl das lautstark beschriene Manko der Spitzenkandidatin zu ihrem Pluspunkt, beziehungsweise zum Pluspunkt für unsere Kinder. Denn die stehen im Programm der Grünen ganz klar im Fokus. So sollen nicht nur die Kinderrechte im Grundgesetz verankert werden und Kinder- und Jugendparlamente zur Mitbestimmung eingeführt werden, sondern auch eine Kindergrundsicherung eingeführt werden. Wie das aussieht?
Kindergeld, Kinderfreibeträge, Kinderzuschläge und das Sozialgeld für Kinder sollen zusammengefasst werden und so ein fester Garantiebetrag entstehen, für den es sogar noch ein Plus gibt für die Familien, die kein oder nur ein geringes Einkommen haben.
Und wenn wir gerade beim Geld sind. Auch die Grünen wollen an das Elterngeld und es weiter flexibilisieren. Und im Gegensatz zu den anderen Parteien denken sie auch an diejenigen, die alles alleine stemmen müssen: die Alleinerziehenden. In jedem Punkt.
Wo es mehr Kinderkrankentage geben soll, nämlich 15 pro Kind und Elternteil, sollen Alleinerziehende die 30 Tage erhalten, die ihnen zustehen. Immerhin sind sie Mama und Papa gleichzeitig – bislang mit den Nachteilen, nun auch mit den Vorteilen.
Denn ginge es nach den Grünen würde künftig nur noch die Hälfte des Kindergeldes auf den Unterhaltsvorschuss angerechnet. Zugleich würden familienunterstützende Dienstleistungen für Alleinerziehende gefördert werden. Das kann eine ergänzende Kinderbetreuung sein oder eine haushaltsnahe Dienstleistung. Und die Grünen gehen sogar noch einen Schritt weiter.
Es soll auch Alleinstehenden möglich sein die Kosten für eine künstliche Befruchtung zurückzuerhalten – ebenso wie Paaren. Jetzt schreit es aus der schwarzen Ecke schon wieder lautstark nach Kindern ohne Identität. Aber: Die Grünen haben die Kinder doch in die Mitte ihres Programmes gestellt und deswegen sollen sie künftig auch ein Recht auf die Kenntnis der eigenen Abstammung haben. Denn Familienformen sind bunt und nicht immer nur Mama und Papa. Neben denen gibt es häufig noch andere Personen, die für das Kind sorgen – sie sollen künftig durch das kleine Sorgerecht die Chance auf rechtliche Sicherheit und eine nahezu gleichwertige Anerkennung haben. Ist nicht perfekt, aber ein Anfang.
Der kindliche Bildungsanfang beginnt mit der Kita und die sind sehr unterschiedlich aufgestellt. Das soll sich mit einem Bundesqualitätsgesetz für die Kita ändern. Kleiner Vorgeschmack? Künftig soll eine Kraft nur noch vier statt fünf U3-Kinder betreuen, und neun Kinder, die älter als drei sind. Für die Betreuung in der Grundschule soll zudem das Recht auf einen Ganztagsplatz eingeführt werden und die Betreuung durch Kooperationen mit Vereinen und Musikschulen breiter aufgestellt werden.
Weil gerade in diesen Bereichen Grauzonen für Gewalt gegen Kinder herrschen, wollen die Grünen zum einen eine Fortbildungspflicht einführen und so mehr Qualifizierung schaffen, auf der anderen Seite generell auf Präventionsprogramme und Aufklärung setzen.
Auch die Grünen gehen in ihrem Programm auf die Folgen der Pandemie ein und werfen den Corona-Rettungsschirm aus. Mentoren, Bildungslotsen, Schulsozialarbeiter und Psychologen sollen dabei helfen, die Lücken wieder zu schließen. Im Gegensatz zu der Union findet sich hier jedoch keine Kostenaussage. Jedoch ein Blick in die Zukunft und die maroden Klassenzimmer. Da soll kräftig rein investiert werden und Schulen sollen zudem individuell die Möglichkeit erhalten, benötigte Fördergelder selbst zu beantragen.
Und das Thema lernen? Digitaler muss und soll es werden. Aber hier werden auch die Grünen unkonkret. Fortbildungen für Lehrer, Eltern und Kinder. Eine Revolution des Lernens soll her und zwar game-based, damit Mehrsprachigkeit erfolgreich gefördert werden kann. Das geht nur mit digitalen Endgeräten, einer der großen Problemstellen während der Homeschooling-Ära. Und genau da überraschen die Grünen plötzlich wieder. Denn Kinder in Armut sollen Geräte von der Schule erhalten, damit sie eben nicht abgehängt werden. Wenigstens etwas, wenn auch sehr unkonkret, vor allem was die Gelder angeht.
Denn die Maßnahmen sind teuer und das klare nein zur schwarzen Null heißt für unsere Kinder, dass Bildung fast noch wichtiger ist, müssen sie später finanziell hinter uns herräumen. Einen perfekten Weg gibt es eben auch bei den Grünen nicht. Doch wenigstens sehen sie die Nöte und Themen der Kinder.
Klingt so gar nicht nach der Grünen Ökopartei? Keine Sorge. Natürlich steckt auch davon etwas für Kinder drin. Zum Beispiel fordern sie klare Regeln für den Lebensmittelerwerb. Was das bedeutet? Das bleibt offen. Fest steht jedoch: giftige Chemikalien werden per Gesetz aus allen Alltagsprodukten verbannt, insbesondere aus Spielzeug (ja da steckt jede Menge davon drin) und Kinderpflegeprodukten (bitte jetzt nicht brechen, auch da sind sie drin).
Auch wenn die Finanzierung dieser Vorhaben Bauchschmerzen bereitet, scheint es wenigstens nicht so, als würden nur wir als Mütter, Väter, Großmütter, Großväter, Tanten, Onkeln und kinderkennenden Menschen mit den Problemen konfrontiert und den Wunsch hegen, diese aus der Welt zu schaffen – oder zumindest anzupacken.
SPD: Barrierefreie Lehrmittel und kostenlose Kitas
Wie die Grünen möchte auch die SPD die Kinderrechte im Grundgesetz verankern und zeitgleich das Wahlalter auf 16 Jahre senken – Stimmensicherung 2.0. Doch so negativ wollen wir da mal gar nicht rangehen. Denn die Punkte zur Kindergrundsicherung sind tatsächlich interessant und konkret: Kitas sollen künftig beitragsfrei sein, damit jedem Kind einen Zugang möglich ist. Weil oft der Weg dorthin schon ein Kostenfaktor ist, will die Partei auch an dieser Stelle Hand anlegen und den öffentlichen Nahverkehr für Kinder kostenlos machen. Und auch die Not, dort gutes Personal zu finden, hat die SPD erkannt und setzt sich das Ziel im Falle eines Wahlsieges die Zahl der Fachkräfte bis 2030 zu verdoppeln und die vorhandenen Fachkräfte zu sichern. Das soll zum einen mehr Flexibilität in der Kinderbetreuung schaffen, zum anderen aber auch die Qualität in der Betreuung steigern.
Ähnlich konkret und verbindlich zeigt sich das Wahlprogramm im Hinblick auf das große Thema Schulen. Auf der Agenda steht zum Beispiel der Punkt: Bessere Koordinierung des Unterrichts. Dahinter steckt die Lehre aus der Pandemie und der Wunsch, dass der Totalausfall des Bildungssystems so nicht mehr stattfinden kann.
Wie es stattdessen gehen soll? Neben den Verbesserung der Koordination geht es bei der SPD vor allem an das Schulmaterial selbst. Zum einen soll dies inklusiver gestaltet werden, um so den Weg in eine ganzheitliche Bildung zu ebnen. Angesprochen wird die Open-Source-Plattform, ein Projekt, dass bereits während der vergangenen Legislaturperiode beauftragt wurde und dessen Finanzierung steht. Ist also im Grunde ein alter Hut, den man im Wahlprogramm neu schmückt. Deswegen aber nicht weniger gut. Denn diese digitale Plattform soll länderübergreifend fungieren und Lehr- und Lernmaterialien für alle bereitstellen. Weil dies über das Internet geschieht bedarf es einer Menge an Medienkompetenz – und auch die soll gefördert werden. Dafür plant die SPD die Errichtung von bundesweiten Kompetenzzentren.
Diese Open-Source-Plattform bedeutet also schlichtweg einen barrierefreien Zugang zu Lehrmitteln und führt zu einer digitalen Lehrmittelfreiheit, die im Falle einer Schulschließung auch bedeuten würde, dass es nahezu problemlos (falls Endgeräte und Internet, sowie das Wissen darüber wie man sie benutzt vorhanden sind) weiter gehen kann.
Klingt alles wahnsinnig digital und cool. Doch die meisten Schulen scheitern dabei am Sanierungsstau. Weiß die SPD. Hat sie auf der Agenda. Schulgebäude sollen saniert und digital ausgestattet werden. Wie? Keine weiteren Pläne. Schade.
Dabei ist der Wunsch, den Sozialstaat weiter und zuverlässiger auszubauen eigentlich gut und hier zeigen sich viele Parallelen zu den Linken und den Grünen. So möchte auch die SPD das Kindergeld dahingehend umgestalten, dass es existenzsichernd wird. Mit Wissen um viele verschiedenen Gehälter soll sich die Höhe des Kindergeldes dann künftig am Familieneinkommen gestaffelt bemessen. Dafür ist Schluss mit Ehegattensplitting, doch dazu mehr in der nächsten Folge. Das neue Kindergeld soll es bedingungslos bis zum 25. Lebensjahr geben und auch die Förderansprüche für Bafög sollen ausgeweitet werden. Damit denkt die SPD auch an die älteren Kinder – Hut ab.
Dass Kinder der Kern der Familie sind wird im Wahlprogramm an vielen Stellen rauf und runter gepredigt. Und genau deshalb ruft die Partei ein Vier-Säulen-Programm aus.
1. Es soll künftig das Recht auf zwei Wochen Elternschaftszeit für die Zeit nach der Geburt eines Kindes für beide Elternteile geben.
2. Es soll eine Familienarbeitszeit eingeführt werden und das Elterngeld Plus auf 10 Monate weiterentwickelt werden.
3. Wie die Grünen möchte auch die SPD die Kinderkrankentage ausweiten und zwar auf 20 Tage pro Kind, Elternteil und Jahr.
4. Die 4. Säule betrifft nicht nur die Kindern, sondern eigentlich die Familie als Gesamtkonstrukt. Dabei geht es um die Einführung der Familienpflege. Sie beinhaltet einen Anspruch auf Lohnersatz für 15. Monate.
Das ermöglicht künftig eine bessere Heimbetreuung im Falle von einer Pflege, die die Kinderkrankentage übersteigt. Generell (und da wird es leider sehr oberflächlich) möchte die SPD die Finanzierung der Kinder- und Jugendmedizin neu strukturieren und die ambulante und integrierte psychotherapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen stärken. Wie? Irgendwie.
Leider wird es bei weiteren Punkten nicht viel konkreter. Sie lesen sich fast wie eine Wunschliste: Die soziale Infrastruktur soll für Kinder und Jugendliche optimiert werden, Werbung, die sich an Kinder richtet, reglementiert werden, vielfältigere Familienmodelle abgesichert werden und Mehrstaatlichkeit gesetzlich verankert werden.
Einzig ein Punkt sollte noch mit großem Lob herausgehoben werden: Für die Not in den Kreissälen plant die SPD einen neuen Betreuungsschlüssel, der die Arbeit der Hebammen optimieren soll und zwar einen eins-zu-eins-Betreuungsschlüssel.
Die konkreten Pläne für Schulen und Kitas machen Hoffnung. Auch wenn einige von ihnen nicht das alleinige Werk der SPD sind und ihnen bereits in der vergangenen Regierungszeit der Weg geebnet wurde. Doch das erleichtert den Blick in die Zukunft ungemein. Denn: Unabhängig davon, welche Partei diese Wahl gewinnt und was für eine Regierung gebildet wird, werden diese Projekte wahrscheinlich (mehr ist leider nicht drin) auch umgesetzt.
Die Linke: Wahlverwandtschaft und 24 Monate Elterngeld
Im Hinblick auf Kinder und Jugendliche greift das Wahlprogramm der Linken Partei zweifelsohne nach den größten Sternen, auch wenn man sich bei manchen der Punkte fragt, wie sie nun darauf gekommen sind. Beispiel gefällig? Elterlicher Hausarrest soll per Gesetz verboten werden. Schluss mit “Geh auf dein Zimmer! Keine Party bei ’ner fünf in Mathe”. Außerdem sollen Eltern nicht mehr über den Kopf ihrer Kinder hinweg über ihre Religion entscheiden dürfen. Dafür soll eine Religionsmündigkeit eingeführt werden. Entscheidungsfreiheit soll auch im Bezug auf die Familie geschaffen werden. Denn die beinhaltet oft mehr Personen als die Eltern und Eltern der Eltern und so weiter. Recht auf Wahlverwandtschaft heißt das bei den Linken und bedeutet, dass Kinder, wie auch Erwachsene ihnen nahestehende Personen benennen dürfen, die sie selbst zu ihrer Familie zählen möchten.
Das ist nur ein Punkt, den die Partei in die Richtung von Entscheidungsfreiheit der Lebensentwürfe anstrebt. Und das soll sich künftig auch in den Lehrplänen an den Schulen wiederfinden. Aktiv soll im Unterricht darüber gesprochen werden und mehr Aufklärungsinitiativen integriert werden. Damit könnte auch der Wunsch nach einer generell inklusiven Schule gelingen.
Dort, wie auch in der Kindertagesbetreuung soll der Ausbau flächendeckend stattfinden – sowohl, räumlich als auch personell. Das führt, da ist sich die Linke sicher, zu einer deutlichen Erhöhung der Qualität in Schulen und Kitas und letztlich auch dazu, dass mehr Flexibilität für Frauen geschaffen wird, die mit Kind einer Arbeit nachgehen möchten.
Und auch diesen berühmten Karriereknick nach der Geburt des Kindes (Hierzu haben wir übrigens einen spannenden Artikel geschrieben. Den findest du hier ) möchte die Partei angehen. Kindererziehung und Pflegezeiten sollen im Falle eines Wahlsieges und einer Regierungsbeteiligung besser angerechnet werden können und die Elternzeit deutlich ausgeweitet werden. Künftig soll dann jedes Elternteil ein Anrecht auf 12 Monate bezahlte Elternzeit haben, also auf 12 Monate Elterngeld. Pauschal sollen Mutter und Vater oder Mutter und Mutter oder Vater und Vater nach der Geburt des Kindes zehn Tage frei haben, um die ersten Tagen genießen zu können und sich erholen zu können.
Wie die SPD verlangt die Linke übrigens ebenfalls ein Recht auf Mehrstaatlichkeit, damit es künftig kein entweder oder mehr gibt.
Wie all diese Pläne umgesetzt und finanziert werden wollen, dazu gibt es keine konkreten Pläne. Es scheint jedoch auf den Grundansatz der Partei hinauszulaufen – Gleichgerechtigkeit. Die Reichen sollen abgeben, die Armen bekommen und: Die Reichen sollen diesen Umbruch finanzieren.
Die FDP: Schule, Schule, Schule
Auf den ersten Blick hat die FDP am wenigsten für Kinder und Jugendliche im Programm. Doch dieser Eindruck täuscht. Die Partei ist sehr konkret und extrem realistisch, was ihre Punkte angeht. Natürlich stehen ihre Lieblingsthemen Digitalisierung und Wirtschaft ganz oben auf der Agenda und sollen deshalb auch Schulfächer werden.
Wer jetzt schon die Hände über dem Kopf zusammenschlägt und sich fragt, wer das bloß unterrichten soll, muss noch einen Moment warten. Denn dafür hat die FDP eine gar nicht so blöde Idee. Sie plant nämlich die Einbindung außerschulischer Akteure in den Unterricht. So sollen zum Beispiel Unternehmer in einzelnen Projekten an den Schulen dozieren dürfen. Denn nach der Schule findet das Leben schließlich auch nicht im Klassenzimmer statt. Ebensolche Akteure sieht die FDP auch als Paten, sogenannte Aufstiegspaten, um Kindern Partner an die Seite zu stellen, die ihnen zum Beispiel beratend bei der Studienwahl zur Seite stehen, wenn die Eltern sich damit nicht auskennen und der Wunsch, zum Beispiel zu studieren, daran scheitern könnte.
Das große Selbstoptimierungsthema macht bei den Liberalen eben auch keinen Halt vorm Klassenzimmer. Schon früh sollen Kinder lernen, dass sie selbst ihr Glückes Schmied sind und dabei beste Unterstützung erhalten. Geradezu sinnbildlich dafür ist auch die Idee der Maker Spaces, die in Schulen eingerichtet werden sollen – Kreativzonen mit digitalen Medien, in denen sich die Kinder ihren eigenen Interessen widmen und weiterbilden können. Für die besonders begabten Kinder plant die FDP übrigens zeitgleich die Errichtung von Talentschulen – eine Idee, die sie bereits in einem Pilotprojekt in NRW erfolgreich umgesetzt haben. Ein weiterer Punkt der Talentförderung: bundesweite Förderstandards für Mint-Fächer.
Weil das nur mit intakten, sanierten Schulen funktioniert hat die FDP natürlich auch das im Petto und zwar als 3-Säulen-Strategie: Die Basis bildet ein fester Sockelbetrag, der sich nach der Größe der Schule berechnet und die Überlebensfähigkeit kleinerer Schulen auf dem Land sichern soll.
Als zweiten Schritt soll es Bildungsgutscheine geben, deren Zuschuss pro Kind berechnet wird und somit eine bedarfsorientierte Finanzierung der Schulen sichern soll. Die Sahnehaube, der dritte Schritt hat einen sehr treffenden Titel. “German Dream”, der Traum davon Chancengleichheit zu schaffen. Wie das klappen soll? Das Konzept sieht einen Zuschuss für Kinder mit niedrigem sozioökonomischen Status vor und soll eigenverantwortliche, individuelle Förderkonzepte ermöglichen.
Förderung bedarf es auch in Sachen Inklusion und auch hier setzt die FDP auf Wahlfreiheit. Die Idee dazu ist alt und zieht sich bereits durch zahlreiche ihrer Wahlprogramme. Kinder mit Behinderung oder ihre Eltern sollen selbst entscheiden, ob sie eine normale Schule oder eine Förderschule besuchen möchten. Beides soll flächendeckend möglich sein.
Puh. Was ne To-Do-Liste und das geht in Sachen Frühbildung und Kita ähnlich weiter.
Denn genau dort soll frühkindliche Bildung spielerisch integriert werden. Dass das ohne weiteres nicht möglich ist. Ist doch kein Thema für die Partei mit der To-do-Liste. Denn die Standards dafür gibt es nicht und deshalb sollen sie ebenso wie die optimalen Betreuungsschlüssel und die Inhalte für die frühkindliche Bildung mit Experten aus diesem Bereich entwickelt werden. Damit diese Experten keine Mangelware mehr sind, will die FDP den Erzieherberuf attraktiver gestalten. Nicht die zentrale Lösung, aber immerhin ein Ansatz ist die Abschaffung des Schulgeldes für die Ausbildung und die Einführung einer Vergütung der Erzieherausbildung. Übrigens: Auch die Lehrerausbildung soll künftig dual stattfinden.
In der frühkindlichen Bildung soll auch eine Sprachprüfung stattfinden und auch dazu gibt es – was erwartet man nun noch – einen Masterplan. Ein Jahr vor der Einschulung soll ein Deutschtest verbindlich sein. Das verbleibende Jahr kann dann gegebenenfalls noch für Fördermaßnahmen genutzt werden, um Chancengleichheit zu schaffen. Diese Förderung soll, ebenso wie der Einstieg ins Lernen der Grundschule spielerischer gestaltet werden.
Kurz Luftholen, weiter gehts. Denn mit der Optimierung des Betreuungsschlüssels soll bei den Optimier-Meistern noch nicht Schluss sein. Die FDP möchte Betriebskindergärten steuerlich fördern und so für Unternehmen attraktiv machen, ebenso die Betreuung an den Hochschulen. Den Rechtsanspruch auf eine Betreuung wollen sie endlich in die Praxis holen und auf die Zeit direkt nach dem Mutterschutz ausweiten. Diese soll zugleich flexibler gestaltet werden und ebenfalls steuerlich absetzbar sein soll.
Steuern sind eh eines der Lieblingsthemen der FDP: Neben dem Kinderfreibetrag soll es künftig auch einen Freibetrag für Auszubildende geben, sowie beide Sätze für Alleinerziehende angehoben werden.
Zeitgleich soll das Wechselmodell, welches manche Eltern leben, das neue Leitbild werden, damit Alleinerziehende nicht länger benachteiligt werden. Und auch Großeltern erhalten bei den Liberalen Rechte, Umgangsrechte. Außerdem soll das Adoptionsrecht für alle eingeführt werden und Mehrelternschaft rechtlich anerkannt werden.
Wie die meisten anderen Parteien sieht auch die FDP Handlungsbedarf beim Kindergeld und will dieses künftig in ein sogenanntes Kinderchancengeld transformieren. Das soll aus einem Grundbetrag, einem Flexibetrag und einem nichtmateriellen Chancenpaket bestehen. Und zu guter Letzt: Auch die FDP möchte die Kinderrechte im Grundgesetz verankern.
Eine lange, ja unendliche lange to-do-Liste, die den Puls schon beim Lesen hochtreibt. Da steckt viel drin. Vor allem in Sachen Schule. Die Punkte der FDP haben Hand und Fuß, man kann es nicht anders sagen. So intensiv hat sich diesem Thema keine andere Partei gewidmet. Leider bleiben dennoch einige Punkte offen. Was ist zum Beispiel mit der Medizin? Was mit den Folgen der Pandemie, die uns Eltern derzeit beschäftigen?