
Entspannte Trotzphase – Wie geht das?Patricia Cammarata vom Blog DAS NUF verrät ihr Rezept im Umgang mit Kindern in der Trotzphase
Alle Eltern müssen irgendwann mit ihrem Kind durch die Trotzphase. Die einen mehr, die anderen noch mehr. Wer die Machtlosigkeit schon einmal gespürt hat, vor einem schreienden Kind zu stehen, zu dem kein Durchkommen ist, der denkt schon mit Schrecken an die Pubertät. Wenn das Kind es schon nicht schafft, aus diesem Moment herauszukommen, dann gibt es für uns Eltern vielleicht eine Möglichkeit, Regeln auch mal Regeln sein zu lassen und in schwierigen Zeiten entspannt zu bleiben. Aber wie? Das wollten wir von Patricia Cammarata wissen. Sie schreibt seit 2004 auf ihrem Blog dasnuf.de kluge Dinge ins Internet und ist außerdem Autorin des Buchs Sehr gerne, Mama, du Arschbombe – Tiefenentspannt durch die Kinderjahre. Dieser Titel sagt schon alles und springt uns direkt ins Herz. Was heißt das also konkret? Wie können wir Eltern uns und unsere Kinder empathisch, fair und selbstbewusst durch diese besondere Zeit bringen, liebe Patricia?
Damit wir es auch bloß nicht vergessen: Die Trotzphase gibt es nicht ohne Grund und sie bringt sehr viel Positives mit sich. Kannst du uns nochmal daran erinnern, warum es so wichtig ist, dass wir da alle mit unseren Kindern gemeinsam durchgehen? Was für eine Funktion hat der Trotz fürs Großwerden? Welche Fähigkeiten entwickelt man dadurch als Eltern?
Die Trotzphase, die man ja besser Autonomiephase nennen sollte, ist deswegen wichtig, weil in den Kindern die Erkenntnis erwächst, dass sie einen eigenen Willen haben, der sie in die Lage versetzt, ihre Umwelt zu beeinflussen. Sie verstehen, dass sie selbst Gestalter*in sein können. Sie können sich selbstwirksam erleben und das ist enorm wichtig für das Selbstbewusstsein.
Als Eltern ist das die Chance, die eigene Empathiefähigkeit zu schulen. Denn sehr oft gibt es vielleicht keine Lösung, die völlig der Vorstellung des Kindes entspricht, z. B. ohne Schuhe bei Minusgraden in die Kita zu gehen. Aber man kann die Kinder gefühlsmäßig abholen, beispielsweise: „Ich verstehe, dass dich das gerade total ärgert. Mit Winterstiefeln kann man nicht so schnell rennen wie ohne Schuhe…“.
Jeder weiß bestimmt, dass Ruhe und Gelassenheit das A und O bei Kindern im Trotzalter sind. Bevor wir alle aber dann am Ende des Tages doch noch komplett die Nerven verlieren, drohen wir, erpressen wir oder ködern wir mit Belohnung. Und natürlich wissen wir, dass das eigentlich nicht der richtige Weg ist. Aber was denn dann?
Wie gerade beschrieben: Empathie zeigen. Dem Kind zu verstehen geben, dass seine Perspektive ernst genommen wird, dass sie berechtigt ist.
Die Bedürfnisse dahinter verstehen und dann Alternativen suchen, die das aktive Bedürfnis ebenfalls befriedigen können.
Und ansonsten: Fünfe gerade sein lassen, wie man so schön sagt. Ausnahmen machen.
Die Angst loslassen, dass eine Ausnahme dazu führt, dass etwas, das schon 100 Mal auf eine bestimmte Art gut gelaufen ist, ab da nie wieder funktioniert. Und selbst wenn? Wessen Erziehungsideale versucht man vielleicht durchzudrücken? Wirklich die eigenen oder die der Gesellschaft, der Eltern, des Umfeldes?
Sollte das Ziel überhaupt sein, entspannt zu erziehen? Ist es nicht viel spannender, die Amplituden alle mitzumachen?
Entspannt erziehen steht für mich in keinem Widerspruch zu „Amplituden mitmachen“. Entspannt heißt lediglich, dass man die Rahmenbedingungen so flexibel wie möglich gestaltet und die Gefühlsausbrüche nicht persönlich nimmt. Die nächste Autonomiephase kommt in der Pubertät. So ist man schon vorbereitet.
Stress zwischen Eltern und Kind endet meist auch gleich eine Stufe höher als Stress zwischen den Eltern. Wie kann man es schaffen, die Probleme mit dem Kind und/oder die Uneinigkeit in der Erziehung nicht auch noch zum Stressfaktor zwischen den Eltern werden zu lassen? Wie kann man einen guten Umgang damit schaffen?
Mit dem Partner über die eigene Haltung in Sachen Umgang mit Stress sprechen. Darüber sprechen, wann man miteinander spricht. Nämlich nicht in den akuten Situationen, sondern in Ruhe, wenn das Adrenalin nicht gerade durch die Adern pumpt.
Auch hier: einfach mal wegschauen und nichts sagen, wenn es nicht genauso läuft, wie man es selbst machen würde. Es gibt ziemlich viele Wege nach Rom.
Grundsätzlich sollte man sich darüber verständigen, was Grenzen sind (regelmäßig Zähne putzen) und was Verhandlungssache ist (ein oder zwei Eis an einem Sommertag).
Thema Geschwisterkinder – wenn alle gleichzeitig durchdrehen. Wie findet man zu einer entspannten Kommunikation unter den Kindern? Ist Reden immer die Lösung oder müssen Spannungen einfach raus dürfen? Wenn ja, wie kanalisiert und filtert man sie?
Reden ist eine Lösung. Sich eine Auszeit nehmen ist eine Lösung. Einen akuten Streit unterbrechen und erstmal Luft holen und das Thema später wieder aufnehmen ist eine Lösung. Geschwisterkinder spiegeln oft wider, was sie bei Erwachsenen sehen. Auch das ist ein Ansatzpunkt: über das eigene Konfliktverhalten nachdenken.
Da, wo es körperlich wird, muss man immer dazwischen gehen.
Ansonsten kann es helfen, nur leicht regulatorisch einzugreifen: „Was macht dich denn gerade so wütend?“, „Wie würde es dir damit gehen, wenn Lotti das bei dir gemacht hätte?“, „Was würde dich denn jetzt zufrieden machen?“
VON MIR FÜR DICH
Es ist nicht mehr als das:
Probiere dich mit deinem Kind zusammen aus. Jede Trotzphase und jedes Kind hat eine eigene Dynamik. Atme tief durch und gehe kurz aus der Situation heraus. Nimm dein Kind und sein momentanes Bedürfnis ernst. Und denke immer daran, dass jede Phase auch wieder zu Ende geht.
Foto: Angela Elbing