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    FRAG MAL MONA
    Kolumne – "Mein Sohn (3) rastet immer wieder ohne Grund aus und wir können ihn auf keine Art und Weise beruhigen. Was sollen wir tun?"

    Familientherapeutin Mona Kino beantwortet für mother.NOW eure Fragen und berichtet aus ihrer Perspektive. Es sind keine Lösungen im herkömmlichen Sinn (denn die eine Lösung gibt es nicht), vielmehr Anleitungen und Ideen dafür, den individuellen Lösungen in sich auf die Spur zu kommen.

    „Mein Sohn (3) rastet immer wieder ohne Grund aus und wir können ihn auf keine Art und Weise beruhigen. Was sollen wir tun?“

    „Liebe Mona,

    Mein Sohn Edgar wird im März vier. Seit etwa sechs Monaten rastet er in einfachen Situationen aus. Es sind immer unterschiedliche Trigger, die schwer zu verstehen sind. Zum Beispiel waren wir vor ein paar Wochen mit Freunden im Botanischen Garten. Es hat etwas geregnet und der Boden war matschig. Wir haben einige Fotos vor einem Plastikweihnachtsmann gemacht. Edgar wollte noch weitere Fotos von sich haben, jedoch gab es mittlerweile eine große Schlange hinter uns. Ich habe unseren Kinder gesagt, dass es jetzt noch ein paar Bilder gibt und dann Schluss ist.

    Daraufhin ist Edgar richtig ausgerastet, er hat sich in die Matschepampe geworfen, darin gedreht, geschrien, und das ging eine Weile so weiter. Ich habe versucht mit ihm zu reden und ihm die Situation es zu erklären, aber er hört in diesen Momenten nichts.

    Ich habe verschiedenes versucht, bin weggegangen, habe ihn umarmen wollen, aber ich erreiche ihn in diesen Situationen einfach nicht. Das Einzige was etwas hilft, ist Wasser ins Gesicht zu spritzen. Das hat ihn kurze Zeit beruhigt und dann ging es wieder los.

    Derartige Situationen habe ich mittlerweile täglich. Inzwischen haben wir Angst etwas zusammen zu unternehmen, da wir damit rechnen, dass er früher oder später ausrastet und uns allen die Laune verdirbt.

    Mein Mann kann unseren Sohn besser beruhigen als ich, und wenn er nicht dabei ist ruft mein Sohn in diesen Momente meist nach seinem Papa. Das Problem ist, dass ich ihn in diesen Momenten wirklich nicht erreichen kann und das ganze bis zu einer Stunde dauert. Er entschuldigt sich meist imm Anschluss, aber ich habe einfach keine Kraft mehr. Wir haben auch eine 6-jährige Tochter, die so etwas noch nie gemacht hat. Ich würde mich über jeden Rat sehr freuen. 

    Alles Liebe Anita“

     

    Liebe Anita,

    danke dir für deine Frage, denn die höre ich oft unter Eltern vor der Kita, im Kaffee oder auf dem Spielplatz. Und oft höre ich auch den Tipp, dass man dem Kind, ob nun Mädchen oder Junge, um das es sich gerade handelt, Wasser ins Gesicht spritzen soll. Da ich mich bis jetzt noch nie außerhalb meiner Praxis in solche Gespräche eingemischt habe, nutze ich deshalb gerne hier die Gelegenheit zu sagen: Lasst das bitte! Wutausbrüche sind in diesem Alter völlig normal und an der Tagesordnung, da Dreijährige beginnen sich mehr und mehr selbst bewusst zu werden. Die Reaktion ist deshalb viel häufiger ein Zeichen von Hilflosigkeit und Überforderung und bedeutet: „Bitte, hilf mir!“ Etwas, was sie in dem Alter so noch nicht ausdrücken können.

    Kinder benötigen in solchen Situationen Geborgenheit, Gelassenheit und Sicherheit von uns Erwachsenen. Sind wir in Ruhe, können sie sich beruhigen. Wir wissen, dass Gefühle kommen und gehen. Dass sie mal stärker sind und mal schwächer, Kinder noch nicht. Benutzen wir stattdessen Wasser, das wir ihnen ins Gesicht spritzen, nutzen wir eine Konditionierungs-Strategie, die bei Tieren hilfreich ist. Ein Belohnungssystem bei dem auf eine bestimmte Reaktion ein bestimmter Reiz folgt oder ausbleibt. Es würde ja auch nicht bei dir funktionieren, wenn dein Mann dir beim nächsten Streit Wasser ins Gesicht spritzen würde, oder? Und genauso reagiert dein Sohn. Natürlich würdest du für einen Moment perplex sein, aber der Konflikt würde sich dadurch ja nicht auflösen. Den müsstet ihr später ja dennoch beilegen.

    Die Trigger können so unterschiedlich sein, wie das Wetter

    Die vielen verschiedenen Trigger von denen du schreibst sind deshalb ein weiterer Hinweis darauf, dass alles normal ist. Auch wenn die Ausraster bis zu einer Stunde andauern. Oft dauern sie deshalb so lange, weil wir Erwachsenen gestresst sind, die Lautstärke gern endlich runter regeln würden. Oder, wie du schreibst, alle schon Angst haben, dass wieder was passiert. Kindern haben dafür ganz besonders feine Antennen, die „hilf-losen“ Gefühle aller zu erspüren. Wenn einem Wutausbruch auf eine solche Weise begegnet wird, verstärkt sich die Hilflosigkeit auf Seiten des Kindes meistens nur mehr, die sich in noch stärkerer Wut ausdrückt.

    Oft ist ein Auslöser zum Beispiel die sprachliche Entwicklung, die in einem großen Kontrast steht. Dreijährige verstehen teilweise oft mehr als 1000 Wörter und können deshalb auch beispielsweise komplexe Bitten verstehen, wie: „Kannst du mir bitte den Teller geben?“ Sie reden auch viel – u.a. mit sich selbst – und können viele Gegenstände und Erlebnisse benennen. Aber: sie benutzen selbst nur bis zu 200 Wörter. Daraus bilden sie kurze zwei- oder drei-Wort Sätze, mit denen sie versuchen sich verständlich zu machen. Gelingt ihnen das nicht, weil ihnen die Worte fehlen, ist ein Wutausbruch vorprogrammiert. Bei dem so ziemlich alles herhalten kann, was gerade greifbar ist.

    In die Perspektive der Kinder hineinversetzen

    Oder sie kommen mit ihrem hohen Forscher- und Bewegungsdrang in einen Konflikt mit der Erwachsenenwelt. Es ist in dieser Zeit sozusagen ihr Job sich geistig, seelisch und körperlich zu entwickeln. Wird dies beispielsweise zu Gunsten einer Gruppenkonstellation in der Familie oder im Kindergarten hintenangestellt, kann das durchaus mit einem Wutausbruch zum Ausdruck gebracht werden. Anstatt dann aber Erklärungen zu benutzen, wie: „Aber das ist doch nicht so schlimm. Wir machen doch jetzt was anderes Schönes zusammen.“ oder: „Jetzt stell dich doch nicht so an, die anderen sind doch auch ganz vernünftig!“ oder: „Warum bist du denn jetzt so außer dir. Ich verstehe dich einfach nicht, bis eben war doch noch alles in Ordnung. Ich tu dir doch gar nichts. Beruhige dich doch.“, ist es hilfreich, sich in die Lebenswelt der Kleinen hineinzuversetzen. „Warum“ – Fragen können Kinder in dem Alter beispielsweise nicht beantworten. Und klare Sätze zu formulieren, wie: „Ich sehe, dass dich das wütend macht. Ich bin auch wütend, wenn ich Dinge, die ich so gerne mache, beenden muss.“ beruhigen dich und dein Kind.

    Es ist also gar nicht so wichtig den konkreten Auslöser zu wissen oder das Warum, sondern vielmehr zu wissen, wie sie und wie wir auf eine herausfordernde Situation reagieren. Und unsere Fähigkeit zu nutzen, uns emotional und kognitiv in die Perspektive des Kindes zu versetzen.

    Sie möchten die Welt kennenlernen, alles um sich herum erkunden. Sie leben also entsprechend ihrer angeborenen Neugier. Wird dieser Forscher- und Bewegungsdrang unterbunden oder abwertend beurteilt, reagieren sie, wie euer Sohn, der sich in Matschepampe wälzt, statt zu sagen: „Das finde ich doof.“ Das ist, wie Kinder ihren Energiehaushalt regulieren. Manchmal brauchen sie in einer sie überfordernden Situation dann auch nur rechtzeitig eine Pause. Gerade Pausen gehen im Alltag gern unter.

    Pausen sind für mich wichtiger, als die berühmten Grenzen, von denen so oft gesprochen wird, die man anderen setzen soll. Je entspannter wir nach einer Pause sind, desto gelassener die Kinder. Menschen sind ja keine Länder oder Gegenstände, die feste Grenzen haben. Heute kann ich zum Beispiel mehr Nähe oder auch Wut ertragen als Morgen. Und dementsprechend kann ich anderen heute auch anders begegnen als Morgen.

    Emotional übersehen

    Manchmal kann die Wut aber auch darauf hindeuten, dass das Kind längere Zeit emotional Übersehen wurde. Ganz einfach, weil andere Themen die Aufmerksamkeit stärker auf sich ziehen. Und Corona hat das in den letzten zwei Jahren ja durchaus gemacht. Seien es existenzielle Themen, wie die Gesundheit der Großeltern, Konflikte um die zu erledigende Arbeit oder vielleicht auch in eurer Paardynamik, weil ihr viel mehr Zeit miteinander habt verbringen müssen, als früher. In meiner Praxis habe ich jedenfalls selten so viele Paare mit jungen Kindern erlebt, die sich mit Trennungsgedanken beschäftigen, wie im letzten Jahr. Ob das für euch zutrifft, wisst aber nur ihr.

    Habe ich was falsch gemacht?

    Ich kann mir gut vorstellen, dass du jetzt denkst: Dann habe ich das ja völlig falsch gemacht. Ich liebe mein Kind doch. Ist es jetzt alles zu spät?“ Nein. du hast es so gut gemacht, wie du es wusstest. Wie du es gelernt hast, oder wie es dir jemand empfohlen hat.“ Und ich würde hinzufügen, was mein Lehrer Jesper Juul häufig gesagt hat: „Gute Eltern machen mindestens 34 Fehler am Tag.“ Und ich würde dir sagen: „Setz dich in einem ruhigen Moment mit deinem Sohn zusammen hin. Nimm ihn in den Arm und sag ihm: „Weißt du, das mit dem Wasserspritzen, dass war keine gute Idee von mir. Und das tut mir aufrichtig leid. So klein zu sein und mich nicht ausdrücken zu können, würde mich auch ganz schön überfordern, hilflos und wütend machen. Das nächste Mal achte ich ein bisschen besser darauf, dass ich früher eine Pause einlege.“ Es geht darum als Eltern die Verantwortung für Fehler zu übernehmen, anstatt alles richtig zu machen.

    Die Wut, von der du schreibst, gehört also zur natürlichen Entwicklung deines Kindes und sie kann unterschiedlich ausgeprägt sein. Wie alle Kinder durchläuft dein Sohn einen Lernprozess, den du mit deiner Empathiefähigkeit so begleiten kannst, dass er später ein gutes Durchsetzungsvermögen hat plus die Fähigkeit, Konflikte souverän zu lösen.

    Zur Entwicklung der Elternschaft gehört übrigens genauso dazu, hilflos und überfordert zu sein, wie es unsere Kinder sind. Denn die einzige „Schule“, die wir dafür besucht haben ist unsere Herkunftsfamilie. Pädagog:innen und Ärzt:innen vertrauen wir unser Kind erst an, wenn sie nachweisen können, dass sie eine langjährige Ausbildung absolviert haben. Deshalb: Profis im Elternsein, sind wir wahrscheinlich frühestens dann, wenn sie aus dem Haus gehen. Und Wut auf uns selbst, dass wir da so unbedarft sind, dürften auch alle kennen. Und genauso geht es den Kindern.

    Hilfe holen

    Wenn nichts hilft, dann scheut euch nicht, euch weitere Hilfe zu suchen. Ursachenforschung gehört in ausgebildete Hände. Besonders wenn sich die Aggressionen von Kindern gegen sich selbst wenden. Professionelle Hilfe könnt ihr bei euren Kita-Pädagogen bekommen, aber auch bei eurer Kinderärzt:in. Liegt das Problem im familiären Zusammenleben oder daran, dass ihr als Eltern überfordert seid, hilft euch wahrscheinlich eine Paar- oder Familientherapie. Oder ihr wendet euch an das Jugendamt. Dort wird euch möglicherweise eine zeitlang eine helfende Hand zur Seite gestellt.

    VON MONA FÜR DICH

    Familie werden ist nicht schwer, Familie sein hingegen an manchen Tagen sehr.

    Die Fragen, die du manchmal hast, scheinen einerseits zu simpel, um sie jemandem zu stellen, und andererseits dann doch zu komplex zu sein, um sie allein zu bewältigen.
    Aus diesem Grund ist FRAG MAL MONA frei nach dem Motto der Sesamstraße entstanden: Wer, wie, was, wieso, weshalb, warum?

    Schick Mona deine Fragen an: redaktion@mother-now.de

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    Mona Kino ist Autorin und erlebnisorientierte Familientherapeutin in Berlin. Seit 2014 praktiziert sie TrainingEmpathy. Sie ist Trainerin, Supervisorin und Referentin für Teambuilding in der Erwachsenenbildung. Ihr Ziel ist, den Menschen ein stärkeres Selbstgefühl für ihre persönlichen Kompetenzen zu vermitteln, damit sie jederzeit klare und für sie stimmige Entscheidungen im Miteinander treffen können. Sie ist Mutter von zwei Jugendlichen und schreibt, neben Drehbüchern, Artikel zum Thema Beziehungskompetenz und Empathie in Schule, Familie und Gesellschaft. www.monakino.de

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