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    FRAG MAL MONA
    Kolumne - „Meine Kinder streiten immer so viel. Wie kann ich das verhindern?”

    Die Familientherapeutin Mona Kino beantwortet eure Fragen und berichtet aus ihrer Perspektive. Es sind keine Lösungen im herkömmlichen Sinn (denn die eine Lösung gibt es nicht), vielmehr Anleitungen und Ideen dafür, den individuellen Lösungen in sich auf die Spur zu kommen.

    „Meine Kinder (Mädchen 5/ Junge 7) streiten immer so viel. Wie kann ich das verhindern?,“ fragt Bettina

    Liebe Bettina,

    ja, das kann ganz schön nervig sein, wenn sich zwei viel streiten. Und ich nehme an, du hast schon vieles ausprobiert, um das zu verhindern. Sonst würdest du nicht schreiben. Wenn nichts hilft, was man anbietet, dann ist das ziemlich frustrierend. Es ist ein Grundbedürfnis des Menschseins, mit dem, was wir einbringen, für andere wertvoll und wirksam zu sein.

    Und genau darum geht es auch bei einem Streit zwischen deinen Kindern.

    Sie wollen wertvoll füreinander sein und ihre Integrität schützen. Ihre Grenzen kennenlernen und klar machen. Kindern in dem Alter stehen die kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten noch nicht zur Verfügung. Ihr Gehirn entwickelt sich erst. Und so „unterhalten“ sie sich auf diese Weise, wenn es um die Wahrung ihrer Integrität geht. Sie lernen sich dabei selbst besser kennen und mit der Zeit auch, Worte dafür zu finden.

    Genauso wie wenn du dich mit deinen Geschwistern oder deinem Partner*in streitest. Oder letztendlich mit deinen Kindern, wenn nichts hilft, was du einbringst. Eigentlich willst du mit dem anderen einen Dialog führen, du willst mit deinen Bedürfnissen verstanden werden und ihr landet stattdessen beim Argumentieren, beim den-anderen-von-der-eigenen-Meinung-überzeugen-wollen.

    Manchmal bitte ich Eltern, sich mal vorzustellen, wie es wäre, wenn ihre Kinder mitten im schönsten oder unschönsten Streit kämen und sagen würden: „Hört auf zu streiten, das macht man nicht?“ Du würdest bei dieser Vorstellung wahrscheinlich anfangen, über dich zu lachen, weil du bei dieser Vorstellung merkst, dass es das Letzte ist, was du gerade brauchst oder was dir hilft. Jemanden, der besser weiß, was du brauchst und was richtig ist. Was auf den Tisch muss, muss auf den Tisch.

    Wenn wir uns streiten, geht es darum, dass wir momentan keinen anderen Weg wissen, uns und unseren Standpunkt mitzuteilen. Obwohl wir wissen, dass Streiten nicht die Lösung ist, tun wir es, weil wir keinen Zugang zu einer besseren Idee haben. Auch als Erwachsene. Wir fühlen uns dem Anderen gegenüber unterlegen und ausgeliefert. Und im Wesentlichen passiert dann in uns folgendes: Wir verteidigen uns. Für den einen sieht das so aus, als würden wir den anderen angreifen oder kämpfen, für den anderen, als würden wir uns wehren. Wehren hat einen etwas besseren Stellenwert in der Gesellschaft als das Kämpfen. Deshalb haben wir mit dem mehr Nachsicht, der sagt, dass er sich verteidigt. Genauer betrachtet ist in der eigentlichen Reaktion aber kein Unterschied. Ob es nun so oder so ist, es geht dabei darum, dass wir unsere Integrität schützen. Und das ist gut, sie zu verteidigen oder für sie zu kämpfen. Denn dann wissen wir, welche Werte und Überzeugungen wir für uns und im Miteinander überprüfen sollten.

    Das Zweite, was ich Eltern bitte zu tun ist zu überlegen, ob der viele Streit vielleicht ein Spiegel der derzeitigen Situation zu Hause ist. Denn unausgetragene Konflikte zwischen den Erwachsenen spiegeln uns unsere Kinder häufig auf diese Weise. Sind die geklärt, wird das Miteinander unter den Kindern meist auch wieder friedlicher. Manchmal ist es auch so, dass uns das Streiten der Kinder an die Streitkultur in unseren Herkunftsfamilien erinnert, also wie dort gestritten wurde und welche Werte uns bezüglich des Streitens vermittelt wurden. Hieß es: „Man streitet sich nicht“ und die Eltern haben auf passiv aggressive Weise die Atmosphäre zum Kochen gebracht, oder verbinden wir mit Streit und Aggressionen Liebe, weil uns die Eltern sagten, wenn sie sich anschrien, dass das Liebe sei? Wir sehen dann unsere Kinder nicht mehr als die, die sie altersgemäß sind, sondern als unsere sich streitenden Eltern. Und das überfrachtet die Realität dann unangemessen.

    „Aus eigener Erfahrung kann ich nur empfehlen, sie sich streiten zu lassen. Und sich nicht einzumischen, ganz gleich, aus welchen Gründen sie sich streiten.“

    Bei meinen Kindern hat es genau sechs Wochen gedauert, aber dann war es mit einem Mal still. Und meine Kinder lagen, das erste Mal seit etwa zwei Jahren, zusammen auf dem Sofa und lasen sich gegenseitig etwas vor.

    Ich bin damals zu meinen Kindern gegangen und hab ihnen gesagt: „Ich ertrage euer Streiten nicht mehr. Und alles, was ich einbringe hilft euch nicht. Das finde ich schade, aber so ist es. Ich versuche jetzt etwas anderes: Ich lasse euch streiten. Und wenn ich es nicht mehr aushalte, mach ich Musik an oder gehe mit eurem Vater einen Kaffee trinken. Wenn wir das Haus verlassen, sage ich euch Bescheid, damit ihr wisst, dass wir zurückkommen. Und: Ich bin/wir sind für euch beide da, wenn ihr eine Umarmung nach getaner ‚Arbeit‘ benötigt.“

     

    Jedes Einmischen ist nur von kurzer Dauer hilfreich. Es ist dann vielleicht eine Zeitlang still, aber der Konflikt schwillt unter der Oberfläche weiter. Er will, ja, er muss gelöst werden. Macht man das nicht, kommt als Fazit ein häufiges Phänomen dabei heraus: Geschwister, die sich nicht kennen.

    Ich gebe zu, sechs Wochen ist eine lange Zeitspanne, aber gemessen an den Jahren, die hinter und vor uns liegen, in denen wir versuchen, sie zu überzeugen, finde ich das einen ganz gut überschaubaren Rahmen. Meinen Nerven hat es jedenfalls gutgetan.

    Natürlich streiten sie sich heute auch noch. Logisch, wie jeder Mensch. Aber sie kennen sich selbst und den anderen sehr gut, und wissen ganz genau, wo ihre und die Grenzen des anderen sind. Und wenn ich dann abends, nachdem der Streit schon lange vorbei ist, in das eine oder andere Zimmer gucke, sehe ich, dass sie sich gegenseitig was vorlesen. Auch wenn das schluchz, heul, jammer keine Kinderbücher mehr sind…… 😉

    Alles Gute für euch,

    Deine Mona

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    Mona Kino ist Autorin und erlebnisorientierte Familientherapeutin in Berlin. Seit 2014 praktiziert sie TrainingEmpathy. Sie ist Trainerin, Supervisorin und Referentin für Teambuilding in der Erwachsenenbildung. Ihr Ziel ist, den Menschen ein stärkeres Selbstgefühl für ihre persönlichen Kompetenzen zu vermitteln, damit sie jederzeit klare und für sie stimmige Entscheidungen im Miteinander treffen können. Sie ist Mutter von zwei Jugendlichen und schreibt, neben Drehbüchern, Artikel zum Thema Beziehungskompetenz und Empathie in Schule, Familie und Gesellschaft. www.monakino.de

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