
Ungewollt kinderfrei – ein Leben lang!Die Geschichte einer Frau mit unerfülltem Kinderwunsch. Der Weg, den sie gehen musste und wie sie heute damit leben kann.
Wiebke Wittneben ist eine Kämpferin. Eine Frau, die keine Kinder kriegen kann. Die unfreiwillige Kinderlosigkeit, die sie bewusst lieber als “kinderfrei” bezeichnet, war ein langer Prozess, in dem sie für ihren Traum bereit war, weit zu gehen. Dann ist er für immer zerplatzt. Sie möchte ihre Geschichte mit uns teilen, weil sie anderen in dieser Situation helfen will. Weil sie das Bewusstsein aller stärken möchte für das, was sie haben und anderen vielleicht verwehrt bleibt. Aber auch, weil sie das Bild der kinderlosen Frau in der Gesellschaft verändern möchte, denn sie glaubt, dass sie als diese immer noch schief angeschaut wird.
Ich bin ein Alien. Etwas, was die Natur nicht für uns Frauen vorgesehen hat. Ich habe mich nicht vermehrt. Denn streng genommen, ist das das Einzige wofür wir geschaffen wurden: Die eigene Rasse zu erhalten. Klingt wahnsinnig unromantisch, ist aber so.
Das sage ich extra so provokant, weil unsere heutige Gesellschaft meiner Meinung nach noch immer ein „Ding“ mit kinderlosen Paaren hat. Jedes Paar hat allerdings sein Warum – und das kann völlig unterschiedlich sein. Manche wollen nicht, manche können nicht, manche haben den Zug verpasst. Das Warum muss man aber nicht mit Kollegen, Nachbarn und alten Bekannten teilen. Man kann, wenn man will.
Warum mache ich es dann, fragt mich mein Mann. Ich erkläre es ihm so: Es soll kein Tabuthema mehr sein. Ich kann halt keine Kinder kriegen. Punkt. Es gibt Millionen Frauen denen es ebenso geht. Deswegen erzähle ich hiermit meine Geschichte – das erste Mal ganz öffentlich. Und ich bin froh, dass in einem Blog für Mütter zu tun – weil es irgendwie absurd ist.
Mein Mann, meine Kinder, mein Hund
Mit Ende 20 hatte ich, wie wohl etliche Frauen, ein traditionelles Wunschbild vor mir: ein toller Mann, zwei tolle Kinder, ein tolles Häuschen. Und einen tollen Hund. So beschlossen mein damaliger Freund (und späterer Ex-Mann) und ich, jetzt wird es ernst: wir wollen Kinder. Zwei mindestens. Bestenfalls ein Junge und ein Mädchen. Wir haben tatsächlich ausgerechnet, wann es passieren sollte, damit es das richtige Sternzeichen wird. Tja, rückblickend kann ich nur sagen: Mein Gott, süß! Wie naiv!
Doch es klappte nicht. Und wieder nicht. Und wieder nicht. Die Ernährung wurde umgestellt, mit dem Rauchen aufgehört, mehr Sport gemacht. Nix. Mit jedem Mal, als meine Regelblutung einsetzte, wuchs die Enttäuschung. Ich trank Apfelessig, pinkelte auf kleine Teststreifen und wir schluckten irgendwelche Nahrungsergänzungsmittel die angeblich dabei helfen sollen, schwanger zu werden. Das zog sich über Jahre.
Niemals hätte ich geahnt, was der Grund dafür war
Meine mittlerweile ratlose Frauenärztin überwies mich an eine Kinderwunschklinik die mich und mein Inneres mal durchchecken sollte. Bei vielen Frauen liegt das Problem angeblich bei verstopften Eileitern. Pustet man diese durch, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit schwanger zu werden, so die Mediziner. Ok – doch ich hätte niemals gedacht, was mich erwarten wird, sobald ich aus dem OP-Saal bin…
Als meine Augen sich nach der Narkose langsam öffneten, sah ich eine betroffen wirkende Ärztin. Im noch immer schummerigen Zustand erklärte sie mir das meine Eileiter so deformiert waren, dass man sie entfernen musste. Zu dem Zeitpunkt habe ich gar nicht kapiert, was das alles bedeutet. Erst später im Auto realisierte ich: oh, ich kann nie mehr auf natürlichen Wege Kinder kriegen. Alles um mich herum war dumpf, diffus, lief irgendwie in Zeitlupe ab. Ich fühlte mich total alleine – obwohl mein damaliger Mann neben mir saß.
Der Grund: Wahrscheinlich hatte ich mir irgendwann mal Chlamydien eingefangen. Das ist die in Deutschland häufigste sexuell übertragbare Infektion, die oft unbemerkt in einem schlummert. Diese Erkrankung kann dazu führen, dass die Eilleiter zum Sondermüll werden. So wie bei mir.
Die Schattenseite der künstlichen Befruchtung
Was dann folgte, waren drei Invitro-Versuche. Das ganze Prozedere von Hormonspritzen, Tabletten schlucken, auf die Uhr gucken, extrem abrufbereit sein, Eizellen unter Vollnarkose entfernen, befruchten, hoffen, einsetzen und wieder hoffen – das nagt an einem selbst. Am Partner und an der Beziehung. Diese scheiterte dann plötzlich mitten im letzten Versuch. Ich glaube, ich brauche nicht erklären, wie ich mich da gefühlt habe.
Aber: Ich bin nun mal eine Kämpferin und weiß, dass Zeit tatsächlich viele Wunden heilt. Eineinhalb Jahre später traf ich meine neue Liebe und jetzigen Mann. Mir war klar, mit damals 38 Jahren blieb mir nicht mehr viel Zeit. Die biologische Uhr, das Mistding, tickte. Wir suchten uns eine andere Kinderwunschklinik, stellten unseren Kopf auf totalen Optimismus – aber auch da: drei Invitro-Versuche ohne Erfolg.
Sechs Versuche – und was dann?
So wird es von mir niemals Fotos vom Fuß meines Säuglings geben. Oder von verschlafenen Kinderaugen, die unter meiner Bettdecke hervorlugen. Niemals wird mich jemand „Mama“ nennen. Diese eine kleine Tatsache tut weh. Enorm weh. Denn ich wäre eine großartige Mutter geworden. Das weiß ich – und all meine Liebsten um mich herum auch.
Zu akzeptieren, dass man rein gar nichts daran ändern kann, das war lange hart. Gerade für mich. Denn sonst lebe ich nach dem Motto: Wenn du etwas willst, arbeite hart dafür und du wirst es schaffen! Von wegen!
Natürlich hätten wir weitermachen können. Wir hätten auch eine Eizellenspende oder weit aus mehr versuchen können: Leihmutter, Pflegeeltern werden oder ein Kind adoptieren. Aber all das war nichts für uns. Irgendwann muss Schluss sein, damit man sich selbst (und als Paar) nicht verliert. Und somit bin ich nun gesellschaftlich gesehen ein Sonderling. Eine Frau, die keine Kinder hat.
Kinderfrei statt kinderlos
Das Wort „kinderlos“ finde ich allerdings schlimm – können wir nicht sagen „kinderfrei“? Das würde mir persönlich (und sicher auch vielen anderen Paaren und Alleinstehenden) nicht immer wieder vorhalten, dass da angeblich eine Lücke ist.
Und da ich es selbst gerade erlebe… Liebe Mamas, ihr müsst mich nicht schonen. Ich will und brauche kein Mitleid. Ihr dürft mit mir über Windeln, Ausraster und Erziehung reden. Euer Fernhalten dieser Themen sorgt nur dafür, dass ich mir wie ein Mensch zweiter Klasse vorkomme. Weil ihr euch von mir entfernt. Wenn es mir zu viel Kindertalk wird, werde ich es schon sagen. Und deswegen ist es mir auch ein Anliegen, meine Geschichte in einem Blog für Mütter zu schreiben. Denn vielleicht habt auch ihr eine Freundin, die keine Kinder hat.
VON MIR FÜR DICH
Zum Schluss möchte ich euch mitgeben: Sagt eurem Körper heute mal richtig danke – denn er hat etwas Wunderbares geschaffen: eure Kinder. Bei der nächsten Heulattacke der Kleinen dürft ihr gerne an mich denken. Ich würde gerne mit euch tauschen.
Photo by Pablo Heimplatz on Unsplash