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    Adoption Homosexualität Baby

    Zweieinhalb Meier oder wie zwei Männer Väter wurden
    Ein Porträt über Dennis und Danny und wie der Traum vom Kind wahr wurde

    Kinderwunsch ist ein heikles Thema. Besonders dann, wenn er unerfüllt bleibt. Während heterosexuelle Paare viele Versuche und Optionen zum Wunschkind haben, haben homosexuelle Paare nur Wege wie zum Beispiel die Leihmutterschaft, die Möglichkeit ein Pflegekind aufzunehmen oder Adoption. Danny und Dennis haben uns von ihrer Adoptionsgeschichte erzählt und uns ganz tief reinblicken lassen.

    Zweieinhalb Meier – ein Porträt über die Liebe

    Eine zehntausend Einwohner Kleinstadt im Kreis Herford. Einfamilienhäuser reihen sich aneinander, akkurat gemähte Rasenflächen, darauf Klettergerüste mit Aussichtstürmen und Rutschen, in den Einfahrten parken Familienkutschen unter Carports. Sogar die Mülltonnen haben eigene Garagen. Hier wird nichts dem Zufall überlassen.

    Inmitten dieses Idylls öffnet sich die Tür eines, wie sagt man so schön, frisch gebackenen Elternpaares. Der rund acht Wochen alte Nachwuchs schlummert auf dem Arm seines Vaters, während der andere Vater den Weg in den ersten Stock weist. 

    Zwei Jahre Warten voller Zweifel und Fragen

    Ganz offiziell waren Danny und Dennis am Morgen im Standesamt und haben aus ihrer eingetragenen Lebenspartnerschaft eine Ehe gemacht. “Nichts wildes”, winken die beiden ab. Sie haben vor fünf Jahren groß gefeiert, als Danny ganz offiziell “eingemeiert” wurde und Dennis Nachnamen Meier annahm. Der Termin heute ist eine Formalie, weil es inzwischen die Ehe für alle gibt. Damals war das noch nicht so. So ist es vollkommen. Keine halben Sachen. 

    Während Danny den Kaffee kocht, schaukelt Dennis Leon im Arm und bewundert den seligen Schlaf des Säuglings. Seines Säuglings. Er lächelt und nickt auf die Frage, ob sich damit ein Traum erfüllt habe. Zwei Jahre haben sie auf ihren Sohn gehofft, gewartet, gebangt. Zwei Jahre voller Zweifel und Fragen. Wird man ihnen als homosexuelles Pärchen ein Kind geben?

    Emotionaler Striptease für das Jugendamt

    Man wird. Das stand für das Jugendamt fest, als sie den bürokratischen Ablauf beendet hatten. Und der ging ganz schön unter die Haut. “Im Lebensbericht mussten wir uns emotional komplett nackig machen”, sagt Danny und streicht sich mit der Hand über die Stirn während er von Fragebögen erzählt, in denen sie zum Beispiel beantworten mussten, ob sie auch ein dunkelhäutiges Kind, das Kind einer Prostituierten oder ein Kind mit Behinderungen adoptieren würden.

    Adoption Homosexualität Baby

    “Das war wie im Katalog”, sagt Danny. Seine Augen sind weit aufgerissen, in seiner Stimme schwingt Entsetzen. Noch immer versteht er den Hintergrund nicht. Denn auf all das gab es für die beiden kein nein. Gibt es noch immer nicht. Denn es geht doch um Kinder und nicht um eine Einbauküche. 

    Es ist seine tiefe Überzeugung. Mit der Ausbildung zum Erzieher hat Danny fachliche Expertise, auch wenn er das nicht vor sich her trägt, sondern eher beiläufig erzählt. Das passt zu dem Paar, das zusammen passt wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Sie legen die Fakten auf den Tisch, zeigen sich transparent. Machen keinen Hehl aus Hochs und Tiefs, wie das Leben sie mitgibt. Sind unaufgeregt, witzig, charmant. Man muss sie einfach mögen.

    Zweifel daran, ob sie gute Väter seien, gab es nie

    Die Wärme und Liebe zwischen ihnen ist spürbar. Sie sind eines dieser Traumpaare einer großen Leinwand-Romanze. Dannys Augen glitzern wie in einem Märchenfilm, als er über die Beziehung spricht und wie er Dennis wahrnimmt, wenn er im gemeinsamen Fotostudio mit Kindern arbeitet. Er habe gewusst, dass er ein guter Vater sein würde. Und auch Dennis hat nie daran gezweifelt, dass sie diesen Job perfekt erledigen würden. In den acht Wochen, die nun hinter ihnen liegen, gab es keinerlei Grund zu zweifeln. Und wie auf Kommando erwacht Leon.

    Ruhig erhebt sich Dennis mit dem Säugling auf dem Arm, streichelt ihm den Rücken, schunkelt routiniert am Esstisch auf und ab, während er nach dem Zeitpunkt der letzten Flasche Milch fragt. “Das passt doch. Er müsste Hunger haben.” Danny schaut auf die Uhr, nickt und geht in den Küchenbereich, um das Fläschchen vorzubereiten. Jeder Handgriff sitzt. Wenige Minuten später reicht Denny Dennis die perfekt temperierte Flasche in die Hand, der mit Leon wieder Platz genommen hat. “Wo waren wir stehen geblieben?”

    Wie fühlt sich die Ungewissheit des Wartens an?

    Bei der Frage wie es sich anfühlt mit der Ungewissheit des Wartens zu leben. Stimmt. Zwei Jahren waren es. Ein befreundetes Paar wartet bereits seit sieben Jahren auf den sehnlichen Anruf. Von den fünf Paaren, mit denen sie die Seminare beim Jugendamt absolviert haben, haben seitdem zwei ein Kind adoptieren dürfen. Sie sind das Dritte. “Beim ersten Mal war das Gefühl mehr ein: Wow. Es funktioniert tatsächlich”, sagt Danny und lacht.

    Adoption Homosexualität Baby

    Er erzählt, dass er schon während des ersten Seminares das Gefühl hatte, dass das Paar das Erste sein würde, das tatsächlich adoptieren darf: “Und so kam es dann auch.” Dennis lächelt und rollt scherzhaft mit den Augen. Immer diese Intuition. Und meist liegt er auch noch richtig damit. Als sie von dem zweiten Paar hörten, versetzte ihnen das einen kleinen Stich. Nicht, weil sie es dem Paar nicht gegönnt hätten. Großartige Eltern, sind sich die beiden sicher und das meinen sie auch so. 

    Je länger die Adoption dauert, umso mehr Unsicherheit kommt auf

    Adoption Homosexualität Baby

    Die Hand wandert zum Herzen, in den Augen von Danny blitzt eine neue Emotion auf. Schmerz. “In zwei Jahren hat man einfach viel Zeit um nachzudenken. Man fängt an, an sich zu zweifeln, man weint. Für uns ist ein gemeinsames Kind nach uns das Wichtigste gewesen”, sagt Danny und schüttelt den Gedanken ab. Der Blick wandert zu Leon, ein Lächeln erscheint. Die Heiterkeit ist zurück. “Magst du noch einen Kaffee haben?”

    Auch Leon hat sein Mahl beendet und lässt sich von seinem Papa den Rücken puckern. Warten aufs große Bäuerchen. Während der Kaffee in die Tasse läuft sucht Danny die Nähe bei seinem Ehemann. Er streichelt ihm den Rücken, verliebt schauen sie auf ihren Sohn.

    Was ist mit der leiblichen Mutter?

    Doch die Geschlechter sind wie sie sind. Und Leons Mutter? “Wir haben den allergrößten Respekt der Frau gegenüber”, sagt Dennis. Frau, das klingt sehr anonym und genau das ist es auch. Denn Leon wurde anonym adoptiert. “Wir haben nur ein paar Informationen, die für Leon von Bedeutung sein könnten”, erzählt Danny. Drei Tage hatte sie Zeit, um sich das anders zu überlegen. Doch das tat sie nicht. Und so wurden die Meiers Eltern.

    Adoption Homosexualität Baby

    Ein Freitag, der für immer bleibt

    Sie erzählen von diesem Freitag, als würden sie aus einem Drehbuch lesen. Das Wetter, der Kuchen, die Uhrzeit, der Blick. Die Fahrt zum Jugendamt, das Gespräch, die Frage, was sie meinen, die Antwort: Dann wollen wir den jungen Mann mal kennenlernen. Die Fahrt zum Krankenhaus, der erste Kontakt. Das erste Mal das eigenen Kind auf dem Arm halten. Jedes Detail hat sich eingebrannt. Zu magisch ist dieser Tag. Wird es immer bleiben. 

    Während sie erzählen wandert der Blick immer wieder auf Leon. Endlich eine Familie. Aber wer übernimmt denn nun die Mutterrolle? Die Frage nagt an der Gesellschaft. Die Antwort ist leicht: Keiner. Leon hat zwei Papas. Zwei starke Männer mit Profil. Zwei, die wissen, was sie wollen. Zwei, die sich auf die Rolle vorbereitet haben, sich viel durchgelesen, viel angeschaut haben. 

    Die Eltern in der Öffentlichkeit und im Freundeskreis beobachtet haben und wissen, dass Gespräche über die Kotkonsistenz für sie nicht dazu gehören. Zwei Vollblutväter, bei denen auch die Hebamme schnell merkte, dass sie nicht gebraucht wird. Zwei, bei denen die Intuition passt. Zwei, die zu bescheiden sind, um sich das gute Gelingen auf die eigene Fahne zu schreiben.

    “Anfängerbaby” nennen sie das Kind, dass die entspannte Stimmung im Haus aufsaugt und die Liebe genießt, die es umgibt. Von seinen Eltern, von seinen Großeltern. Voller Stolz schieben die den Enkel durch die Kleinstadt. Voller Vorfreude rasten sie am Samstag in den Kinderladen, kauften das Nötigste für den Säugling, sponsorten die Erstausstattung, damit die Väter einfach genießen und lieben konnten. Auch sie wollen lieben, wollen ihre “Ansprüche an den Enkel geltend machen”. 

    Leon braucht auch starke Frauen

    Und das wünschen sich Danny und Dennis. Denn mit Oma hat Leon eine charakterstarke Frau an seiner Seite. Eine solche hat einst auch Danny gestärkt – zwischen ihn und seine Oma passte kein Blatt. Auch starke Frauen braucht Leon. Deswegen ist es ihm so wichtig, dass auch Leon dieses Band knüpfen kann und darf. Denn er muss stark sein, solange die Gesellschaft noch so ist wie sie ist und die Kritik am Lebensmodell der Meiers nur über Umwege zu ihnen kommt.

    Adoption Homosexualität Baby

    “Ich wünschte mir, dass die Leute es uns direkt sagen würden”, sagt Danny traurig. Nur so könne man kommunizieren. Erklären muss er nichts. Politik, Religion, Kinder: Alles streitbare Themen. Aber Missverständnisse, die könne man ausräumen. Denn ja, auch als homosexuelles Paar darf man ein Kind adoptieren. Und ja, auch Leon wird erfahren, dass er adoptiert ist. Insbesondere ihm gegenüber gilt schließlich dieselbe Transparenz, wie Außenstehenden gegenüber.

    Am Ende hat sich alles gelohnt

    Und nein, Danny ist nicht die Frau in der Beziehung, weil er zwei Jahre Elternzeit nimmt. Das hat vielmehr pragmatische und wirtschaftliche Gründe, denn gemeinsam haben sie in Herford ein Fotostudio und Dennis ist der Fotograf. “Ohne ihn läuft es nicht”, fasst Danny zusammen. Für die Buchhaltung und Bildbearbeitung nimmt er sich einen festen Tag in der Woche, dann ist Papa-Leon-Zeit. Außerdem sonntags. Mit allem zwischen nachts aufstehen und  Windeln wechseln. Dennis lacht. Es sind derzeit seine Lieblingstage.

    Denn Leon ist dort angekommen, wo er schon immer so sehr gewollt wurde. Wo ihm tiefe Liebe begegnet und keine Hürde, kein emotionaler Striptease seine Eltern davon hätte abbringen lassen, diese Liebe geben zu dürfen. Und so ist er ganz leise zwischen Windel und Fläschchen, zwischen Spielbogen und Stubenwagen, in einem Haus mit akkurat gemähtem Rasen in einer Straße voller potentieller Spielfreunde ganz offiziell eingemeiert worden. 

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